LBV-Mitgliederversammlung
Den Blick nach vorne richten
Die von Familien getragene Landwirtschaft hat Zukunft! Zu dieser Überzeugung bekennt sich Joachim Rukwied gleich zu Beginn seiner Ansprache bei der Mitgliederversammlung am 16. Juni 2016 in Fellbach (Rems-Murr-Kreis). Darin bestärkt sieht sich der Präsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV) durch die sehr gute Ausbildung im Berufsstand. Die Bauern erzeugten Produkte, die nicht nur schmecken und gesund sind, sondern zugleich tier- und umweltgerecht produziert wurden.
Fellbach (Rems-Murr-Kreis), 16. Juni 2016
Im vor- und im nachgelagerten Bereich habe die Landwirtschaft starke Unternehmen, die sich auf die Märkte konzentrieren und wettbewerbsfähig seien, erklärt Rukwied am 16. Juni 2016 vor über 300 Delegierten und Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei der LBV-Mitgliederversammlung in Fellbach (Rems-Murr-Kreis). Trotz aller aktuellen Schäden durch Hochwasser seien die Witterungsverhältnisse im langjährigen Durchschnitt in Deutschland im weltweiten Vergleich relativ günstig und die Infrastruktur insgesamt gut.
Strukturwandel bereitet Sorge
Sorge bereitet dem Präsidenten allerdings der Strukturwandel, der sich massiv beschleunigt habe. Sei er lange zwischen ein und 3 Prozent gelegen, sei in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Milchviehhalter jedoch um 6 Prozent, der Schweinehalter gar um rund 43 Prozent gesunken. „Alle sind gefordert, dieser Entwicklung entgegenzuwirken“, betont Rukwied mit Blick an die in der ersten Reihe sitzenden Politiker.
Politische höher als Marktrisiken
Die politischen Risiken beurteilt der LBV-Präsident höher als die Marktrisiken. Mit dem Marktrisiko könnten die Landwirte und ihre Marktpartner umgehen, auch wenn sie teils noch dazulernen müssten. Er plädiert dafür, die Preisabsicherung auszubauen, beispielsweise bei der Milch. Dadurch seien im längerfristigen Durchschnitt die Preise meist zwar nicht besser, jedoch könnten die Preistäler flacher gestaltet werden.
In der Politik würden jedoch nicht die Betriebsleiter, sondern die Parlamente entscheiden. Deshalb sei es wichtig für den Berufsstand, seine Anliegen einzubringen. Rukwied wünscht sich mehr Pragmatismus in der Politik. Beispielhaft verweist er auf die Novelle zur Dünge-Verordnung. Vorgesehene Vorschriften wie die Verkürzung der Ausbringzeiten bei der Düngung würden das Ziel des Umweltschutzes konterkarieren. Die Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO) lobt Rukwied. Hier hätten die Administration und die Landwirtschaft gemeinsam Verbesserungen im Wasserschutz erzielt.
Mit Maß und Ziel
Zahlreiche Beispiele politischer Vorhaben bei Gesetzen und sonstigen rechtlichen Regelungen spricht der LBV-Präsident an.
NERC-Richtlinie. „Mit Maß und Ziel arbeiten“, fordert der LBV-Präsident bei der NERC-Richtlinie zur Verminderung der Treibhausgase ein. Hier und grundsätzlich dürften nicht diejenigen bestraft werden, welche gut gearbeitet haben. Wenn das Ordnungsrecht in verschiedenen Ländern unterschiedlich ausgeführt werde, bedeute das ein hohes Risiko für die betroffenen Unternehmen bis hin zur Existenzgefährdung.
Tierschutz. „Das ist unser Antritt“, bekennt sich der LBV-Präsident zur ständigen Verbesserung des Tierschutzes. „Wenn aber im Moment das Schwänzekopieren der bessere Tierschutz ist, muss es so lange erlaubt sein, bis noch bessere Maßnahmen praxisreif vorhanden sind“, unterstreicht er unter großem Applaus und in Anwesenheit der Tierschutzbeauftragten des Landes, Dr. Cornelie Jäger.
Pflanzenschutz. Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln seien die Folgen zu durchdenken. So sei bei Muchsaat mit ihrer positiven Wirkung hinsichtlich Erosions- und Umweltschutz je nach Witterungsbedingungen in manchen Jahren der Einsatz von Glyphosat notwendig. Deshalb plädiert der Bauernverband für die Wiederzulassung, durchaus verbunden mit dem Hinweis differenzierter Anwendung.
Erneuerbare-Energien. Beim Erneuerbare-Energien-Gesetz konnte der Bauernverband Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erreichen, so bei Biogas. Anderenfalls hätte diese erneuerbare Energie kaum Zukunft gehabt. Zudem wäre Wertschöpfung im ländlichen Raum verloren gegangen. Die Wertschöpfung käme bei Biogas vor allen kleineren und mittleren Unternehmen zugute, welche hauptsächlich die Arbeitsplätze sicherten, und nicht den großen Kapitalgesellschaften, erklärt Rukwied.
Handelsabkommen. Deutschland ist Teil des Weltmarktes. Für die Landwirtschaft ergeben sich Risiken aus dieser politischen Entscheidung für offene Märkte. Sind unsere landwirtschaftlichen Unternehmen international wettbewerbsfähig? Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht schneiden wir im Land durchschnittlich betrachtet relativ schlecht ab, weil in anderen Regionen auf der Welt die Kosten viel geringer sind. Deshalb ist es als Basis von Verhandlungen wichtig, unsere hiesigen Standards zu erhalten.
Insofern ist der Bauernverband nicht grundsätzlich gegen die derzeit verhandelte Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TT IP) der EU und den USA, versichert der LBV-Präsident. Denn auch die Wirtschaft in Deutschland ist auf den Export angewiesen. Allerdings sei hinsichtlich der Sicherung der Standards Achtsamkeit geboten, auch bei den laufenden Verhandlungen der EU mit Australien oder dem beabsichtigten Mercosur-Handelspakt mit Ländern in Südamerika.
Steuerpolitik. „Nichts Gutes!“ schwant Rukwied, wenn das Thema Erbschaftssteuer wieder „aufgemacht“ wird. Der Bauernverband verwahrt sich dagegen, das hart erarbeitete Vermögen zum dritten Mal zu besteuern. Landwirte seien Verwalter ihrer über viele Generationen bewirtschafteten und weitergegebenen Betriebe. Somit stünde das Vermögen lediglich in den Büchern, nicht auf dem Konto, erklärt er.
Mindestlohn. Sorge bereiten dem Präsidenten auch die Regelungen nach dem Mindestlohngesetz. Hier sei „kein Ende der Fahnenstange“ in Sicht. Die Belastungen gingen hier immer weiter, spricht Rukwied die Folgen im Wissen an, dass die Politik derzeit in dieser Sache nicht handeln will. So bleibt die Hoffnung auf eine „wieder mehr landwirtschaftsfreundliche Politik“ der neuen Bundesregierung nach den Bundestagswahlen 2017.
Hausaufgaben für die Agrarbranche
Deutlich spricht Rukwied die viel zu niedrigen Erzeugerpreise und die seit längerem anhaltende Marktkrise an. Eine, jedoch nicht die alleinige Ursache sieht er im russischen Import-Embargo. Hinzu kämen die politischen Wirkungen im Nahen und Mittleren Osten sowie anderswo. Die Steigerung der Erdölproduktion habe die Märkte nach unten gezogen – mit allen psychologischen Wirkungen und Folgen für die Kaufkraft. Diese Entwicklungen seien Ergebnis politischer Entscheidungen. Deshalb habe die Politik auch die Pflicht, die davon heftig betroffene Landwirtschaft zu unterstützen.
Rukwied sieht nicht nur die Politik gefordert. „Auch wir als Branche haben noch Hausaufgaben zu machen“, verdeutlicht er. Etwas hoffnungsfroh stimmen ihn die Michgespräche mit dem Deutschen Raiffeisenverband. In der gemeinsamen Pressemitteilung seien durchaus einige Kernpunkte enthalten. Die geplante Branchenorganisation gilt es jetzt, auf den Weg zu bringen und dazu mit dem Bundeskartellamt zu reden, um die notwendige Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die hieraus sich ergebende Perspektive für mehr Forschung, bessere Produkte und Vorteile am Markt müsse genutzt werden.
In einer Phase des Klimawandels
Für die von dem verheerenden Hochwasser betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe hat das Land Unterstützung in Aussicht gestellt. Dafür dankt Rukwied der Landesregierung. Die Witterung in den vergangenen Wochen zeige, wir befinden uns in einer Phase des Klimawandels. Unwetterereignisse treten öfters auf. Das habe unter anderem mit der Erwärmung und dem wesentlich größeren Anteilen versiegelter Flächen zu tun. Nicht dagegen mit dem Maisanbau. Die Maisfläche jedenfalls sei heute in Baden-Württemberg nicht höher als vor 25 Jahren, erläutert der LBV-Präsident.
Landwirte sollen "selbst mehr und offen kommunizieren"
„Wir müssen auch selbst mehr und offen kommunizieren“, betont Rukwied. Ausdrücklich dankt er den Landwirtsfamilien, welche ihre Höfe für Besucher öffnen. In der Information und Vermittlung der Leistungen moderner Landwirtschaft „müssen wir noch besser werden und dazu auch die sozialen Netzwerke nutzen“, appelliert der LBV-Präsident besonders an die junge Generation. Rukwied setzt sich gerne für die Anliegen der Bauernfamilien ein. Das versichert er und ruft die Versammlung dazu auf: „Lassen Sie uns das gemeinsam machen!“
Autor: hk