LBV-Unternehmertag 2016
Schwierige transatlantische Partnerschaft
Die transatlantische Partnerschaft unterzog der Politikwissenschaftler Professor Dr. Thomas Jäger beim Unternehmertag des Landesbauernverbandes (LBV) am Donnerstag, 18. Februar 2016 in Stuttgart einer kritischen Bestandsaufnahme. Das Verhältnis zwischen Europa und Nordamerika verschlechtert sich seiner Einschätzung nach zusehens. Trotz oder wegen der amerikanischen Dominanz werde jedoch eine Lösung aktueller Konflikte ohne die USA nicht gelingen.
Das transatlantische Verhältnis ist nach Aussage des Lehrstuhlinhabers für Internationale Politik und Außenpolitik der Universität Köln diversen Belastungen ausgesetzt. Gleichzeitig stünden entscheidende globale Weichenstellungen an, die die künftigen Beziehungen beeinflussen. Wie Professor Jäger feststellte, schweißen die Konflikte aus jüngerer Zeit die westliche Allianz deutlich weniger eng zusammen wie der frühere Ost-West-Konflikt. Durch unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen würden sich die USA und die EU-Staaten zunehmend fremder. Zudem verstärkten sich nationale Wirtschaft- und Sicherheitsinteressen. Die Folge, so Jäger: Beide Seiten übersehen mit Blick auf den eigenen Vorteil, dass sie ihre langjährigen engen Beziehungen nachhaltig beschädigen.
US-amerikanische Dominanz
Dabei waren die transatlantischen Beziehungen, folgt man den Ausführungen von Professor Jäger, nie eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Amerikanische Regierungen verfolgten stets das Ziel, die eigenen politischen und wirtschaftlichen Vorteile abzusichern. Und sie hätten auch wirksame Hebel in der Hand, um ihre Interessen durchzusetzen. So wisse man spätestens seit Edward Snowdon, dass Bürger, Unternehmen und Regierungen aller Staaten von den amerikanischen Geheimdiensten, speziell der NSA, umfassend überwacht wurden und werden. Das wollen zwar nicht alle Partner hinnehmen, so Jäger. Andererseits ermögliche aber nur eine Kooperation mit den USA eine erfolgreiche Arbeit europäischer Geheimdienste.
Nachrichtendienstliche Abhängigkeit
Das daraus entstandene Dilemma wurde in Deutschland dadurch gelöst, indem der damalige Kanzleramtsminister Ronald Profalla die NSA-Affäre einfach für beendet erklärte, so Professor Jäger. Und tatsächlich sei sie aus der Berichterstattung verschwunden und damit beendet gewesen. Außerdem werde an dem Fall erkennbar, wie abhängig die deutschen Behörden von amerikanischen Stellen sind und es werde überdies dokumentiert, wie weit die US-Regierung in ihrem Streben nach Informationsüberlegenheit in der Lage ist, mit der Verfolgung der Datenströme Kommunikation, Bewegung und insbesondere die Zahlungen aller Menschen und Unternehmen nach zu vollziehen.
Ohne Dollar keine globalen Geschäfte
Ein zweites herausragendes Machtinstrument ist nach den Worten von Professor Jäger der Dollar als globale Reservewährung. Über 60 Prozent der internationalen Geschäfte würden in Dollar abgewickelt. Gescheitert sei die Absicht der Europäer, mit Einführung des Euro von diesem Kuchen etwas abzubekommen. Heute seien die USA in der Lage, mit Sanktionen einzelnen Personen oder Unternehmen den Zugang zum amerikanischen Markt und dem Bankensystem zu verweigern. Der Zugang zum Dollar und zum amerikanischen Markt aber sei für international tätige Unternehmen von existentieller Bedeutung.
VW kommt unter die Räder
Dass amerikanische Gesetze, über den Hebel Dollar, faktisch weltweit gelten, habe zuletzt VW zu spüren bekommen, wobei „Diesel-Gate“ über Volkswagen hinausreiche, so Jäger. Seiner Einschätzung nach soll die ganze deutsche Exportwirtschaft getroffen werden. Verfolgt würden in diesem Zusammenhang von der US-Regierung verschiedene Ziele: die Re- Industrialisierung der USA mit der Schaffung industrieller Arbeitsplätze, eine Reaktion auf die protektionistische Stimmung im eigenen Land, die Demonstration der von der Regierung einsetzbaren Strafinstrumente sowie der wirtschaftliche Vorteil für amerikanische Unternehmen.
Politik und Wirtschaft in einem Boot
Die Stärkung ihrer Industrie ist derzeit ein Hauptanliegen der amerikanischen Regierung, erklärte Professor Jäger. Dies sei kein Geheimnis. Umso unverständlicher ist für ihn vor diesem Hintergrund das mangelhafte Krisenmanagement von VW. Politische Institutionen und öffentliche Meinung seien falsch „bespielt“ worden. Ursache für den Imageschaden sei außerdem eine unzureichende Lobbyarbeit. Die Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft seien in den USA traditionell sehr eng. Für die Kontaktpflege durch Spenden würden die amerikanischen Autobauer ein Vielfaches von VW ausgeben. Auch nach vorsichtigen Einschätzungen werde die juristische Aufarbeitung der Affäre für Volkswagen extrem teuer. Wie schon in anderen Fällen zeige sich hier, dass amerikanische Gesetze für international operierende Unternehmen weltweit gelten. Wirtschaft sei in den USA stets auch Politik und umgekehrt.
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Autor: ebe