Interview mit Präsident Rukwied
Bauernfamilien brauchen Perspektiven
BWagrar: Wie ist der aktuelle Stand beim „Volksbegehren Artenschutz – Rettet dieBienen“
Rukwied: Am 26. Juli haben die Initiatoren den Antrag zur Genehmigung samt Gesetzentwurf beim Innenministerium (IM) eingereicht. Der Landesbauernverband (LBV) hat seine rechtlichen Bedenken in einer Stellungnahme gegenüber dem IM vorgetragen und auf die massiven negativen Folgen der Vorschläge für unsere Landwirtschaft hingewiesen.Am Mittwoch dieser Woche, 14. August, hat das IM das Volksbegehren dennoch zugelassen. Nächste Woche soll der Gesetzentwurf im Staatsanzeiger gekannt gegeben werden. Einen Monat später kann die freie Stimmensammlung beginnen.
Landesbauernverband: Volksbegehren Artenvielfalt - Bauern fürchten um Existenz
BWagrar: Wie bewerten Sie die Inhalte des Volksbegehrens?
Rukwied: Baden-Württemberg ist sicher kein Land, das sich in Fragen des Naturschutzes verstecken muss. Gerade unsere Landwirtschaft hat in der Vergangenheit den kooperativen Naturschutz gelebt. Rund 400.000 Hektar werden über Programmmaßnahmen extensiv bewirtschaftet. Dazu kommen noch fast 200.000 Hektar Ökolandbau und 40.000 Hektar Vertragsnaturschutz. Umso bitterer ist es, dass wir nun mit dem Volksbegehren einen Frontalangriff auf die Landwirtschaft erleben müssen. Die Gesetzesverschärfungen würden die Bewirtschaftung insbesondere vieler Ackerbau- und Sonderkulturbetriebe erheblich beeinträchtigen. Am Bodensee würde der Obstbau oder am Kaiserstuhl und am Stromberg der Weinbau aufgrund des Verbots von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzgebieten nicht mehr möglich sein. Das würde im Übrigen auch Biobetriebe treffen. Diese radikalen Vorschläge sind völlig inakzeptabel. Ich frage mich schon, ob den Initiatoren, aber auch den Unterstützern eigentlich klar ist, dass sie damit vielen Familien die Existenz entziehen. Wir unterstützen das Ziel, den Artenschutz noch mehr voran zu bringen, aber die Maßnahmen hierfür dürfen unseren Betrieben nicht jegliche Perspektive rauben.
„Die vorgesehenen Maßnahmen dürfen unseren Betrieben nicht
die Existenz entziehen“
BWagrar: Was unternimmt der LBV, damit die Vorschläge des Volksbegehrens am Ende nicht Gesetz werden?
Rukwied: Als das Volksbegehren von den Initiatoren angekündigt wurde, haben wir sofort auf die zahlreichen Naturschutzmaßnahmen unserer Bauern hingewiesen. Unter dem Motto „Baden-Württemberg blüht auf“ konnten wir die Umweltleistungen unserer Bauernfamilien in den Medien sehr gut platzieren. Es muss uns allen klar sein, dass der eingereichte Gesetzesvorschlag von „proBiene“ nach einer Genehmigung nicht mehr veränderbar ist und nach einem erfolgreichen Volksbegehren Gesetz wird. Der LBV-Vorstand war geschlossen der Auffassung, dass in einer solchen Situation eine frontale Konfrontation in der Öffentlichkeit dem Volksbegehren eher hilft als schadet. Unsere Aufgabe ist es aufzuzeigen, dass die Vorschläge völlig überzogen sind und es einer deutlichen Korrektur bedarf. Diese wäre über einen Alternativvorschlag der Landesregierung möglich. Um solche Alternativen zu erarbeiten, führen die Bauernverbände Gespräche mit Vertretern des Landesnaturschutzverbandes, der Imker, von Bioland, der Weinbauverbände und des Obstbaus. Wenn ein solcher Kreis gute Lösungen vorschlägt, ist die Politik aufgefordert, dem Volksbegehren Alternativen entgegen zu stellen. Eine solche politische Unterstützung müssen wir als Verband, aber auch jede einzelne Bauernfamilie, im Kontakt mit der Politik massiv einfordern. In ersten Gesprächen mit den Ministern Hauk und Untersteller sowie mit unserem Ministerpräsidenten Kretschmann konnte ich die verheerenden Folgen des Volksbegehrens für unsere Landwirtschaft in Baden-Württemberg erläutern und um Unterstützung werben.
Hopfenpflanzerverband: Es geht ans Bier
BWagrar: In der Presse war von einer Pflanzenschutzmittel-Reduktionsstrategie zu lesen. War der LBV eingebunden?
Rukwied: Nein, der gesamte Berufsstand war nicht eingebunden! Die Kabinettsvorlage über eine Pflanzenschutzmittel-Reduktionsstrategie wurde mittels Presse lanciert. Dieser angebliche Kompromiss zwischen den Ministern Hauk und Untersteller sieht unter anderem eine 40- bis 50-prozentige Mengenreduktion von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und einen Ausbau des Ökologischen Landbaus auf 30 bis 40 Prozent bis 2030 vor. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass eine rein mengenbezogene Reduktion fachlich nicht sinnvoll ist. 40 bis 50 Prozent Reduktion in zehn Jahren ist sehr ambitioniert. Als Praktiker fehlt mir schlichtweg die Phantasie, wie das ohne Verlust von Qualität und Ertragssicherheit funktionieren soll. Verwundert hat uns schon, dass nur die chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel einer Reduktion unterworfen werden sollen. Diese Ungleichbehandlung ist fachlich nicht begründbar und brüskiert viele unserer Mitglieder. Außerdem sind wir der Meinung, dass das Wachstum des Ökolandbaus nicht politischen Zielen folgen sollte, sondern der Verbrauchernachfrage, um einen weiteren Preisrückgang bei Ökoprodukten zu verhindern. Es muss klar sein: Um die formulierten Ziele zu erreichen, werden erhebliche Fördermittel notwendig sein. Allein die Ausdehnung des Ökolandbaus auf 40 Prozent würde das Land ab 2030 zusätzlich schätzungsweise mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr kosten.
Kirchlicher Dienst auf dem Land in Sorge
BWagrar: Sind diese Vorschläge als Alternative zum Volksbegehren zu sehen?
Rukwied: Wir wissen nicht, ob die Vorschläge der Minister zu einer Alternative zum Volksbegehren entwickelt werden sollen. Gemeinsam mit unseren Partnern werden wir die Vorschläge bewerten. Ziel ist es, geschlossen gegenüber der Politik machbare Vorgaben und wirksame Anreize zur Förderung des Artenschutzes und den Schutz unserer bäuerlichen Betriebe einzufordern.
Autor: Marco Eberle, Landesbauernverband