Nachtfröste
Obstbauern in Schockstarre
Die Fröste der letzten Nächte haben besonders die Obstbauern und Weingärtner getroffen. Am Bodensee setzte besonders die Nacht von Donnerstag auf Freitag den Blüten zu. Erste Eindrücke über das Ausmaß, das auch den Ackerbau betroffen hat.
Eine Region in Schockstarre. Diesen ersten Eindruck vermittelt ein Rundruf bei Obstbauberatern am Bodensee am heutigen Freitag. Durch zwei Frostnächte in Folge mit Temperaturen von bis zu minus sechs Grad sind viele Blüten der in Vollblüte stehenden Bäume erfroren. „Das sind wohl die schlimmsten Schäden seit dem Frostjahr 1991“, lautet die Aussage eines Beraters.
Obgleich sich das tatsächliche Ausmaß erst in den nächsten Wochen erfassen lässt, zeichne sich bereits ab, dass die wirtschaftlichen Schäden durch Ausfälle bei Kirschen, Birnen und Äpfeln in die Millionen gehen. Ein anderer berichtet, dass wohl das ganze Gebiet betroffen ist. „Offene Blüten haben die Nacht nicht überlebt“, erzählt er von einem rund siebenstündigen Besuch durch Obstanlagen in der ganzen Region. Zwar könnten späte Lagen, die noch nicht in der Blüte standen oder Nachblüher noch eine gewisse Ernte erwarten lassen, doch ob die Qualität dann stimmt… Er setzt ein Fragezeichen dahinter.
Frostschutzberegnung konnte nur einen Teil sichern
Während im Neckarraum über Öhringen bis nach Hohenlohe eisige Temperaturen in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag die Blütenanlagen geschädigt haben, war es am Bodensee die Nacht von Donnerstag auf Freitag, die mit Eiseskälte die Ernteaussichten zumindest zu einem erheblichen Teil zunichte machte. Nur dort, wo eine Frostschutzberegnung möglich ist, trotzten die Blüten den Minustemperaturen. Doch das ist am Bodensee nur im Argental und rund um Oberdorf möglich. Auf diese Weise konnten vielleicht zwei bis drei Prozent der 6400 ha umfassenden Kernobstfläche am Bodensee geschützt werden.
Andernorts wurde versucht, mit Frostkerzen gegen die kalte Polarluft anzugehen. Doch weitgehend ohne Erfolg, da zum einen über viele Stunden Minustemperaturen herrschten und sich die Paraffinkerzen dabei erschöpften, zum anderen auch die Erwärmung um ein bis zwei Grad nur marginal bei diesen Tiefsttemperaturen wirklich Abhilfe schaffen konnte. So verpuffte manch gewaltige Investition von einigen Tausend Euro im Nichts.
Zum wieder Blühen anregen
So bleiben den Obstbauern nur noch zwei Strohhalme, an die sie sich klammern können, meint Michael Zoth vom KOB Bavendorf. Doch hier ist schnelles Handeln nötig, ohne Garantie, dass es tatsächlich etwas nützt. Zum einen ist dies die Ausbringung einer Mischung von Gibberellinen und Benzyladenin. Alternativ ist eine zweimalige Behandlung mit Regalis möglich, die einmal sofort im Anschluss an die heutige Frostnacht sowie in sieben bis zehn Tagen ausgebracht werden muss. „Das soll bewirken, dass sich der Fruchtansatz noch erhöht, weil Samenzellen überleben. Das kann, muss aber nicht funktionieren“, schränkt er ein und verweist darauf, dass davon in erster Linie nachrangige Lateralblüten oder Blüten, die sich am einjährigen Holz noch bilden, profitieren. Seine Hoffnung auf positive Effekte begründet er mit dem Hinweis auf entsprechende Versuche in der Steiermark, bei denen sich durch diese Behandlung nach den verheerenden Frösten im vergangenen Jahr gewisse positive Effekte zeigten.
Zuckerrüben
Im Raum Kupferzell sind die jungen Pflanzen auf einem Zuckerrüben-Schlag vom Frost angegriffen, die Blätter färben sich schwarz. Noch ist unklar, inwieweit nur einzelne Blätter erfroren sind oder auch der Vegetationskegel geschädigt ist. Solange er nicht erfroren ist, werden keine größeren Verluste erwartet. Nach ersten, vorsichtigen Einschätzungen könnte für die meisten Pflanzen und Landwirte gut ausgehen. Da vielerorts bereits Mitte März gesät wurde, könnten die Zuckerrübenpflanzen über ihre empfindliche Phase bereits hinweg sein.
Harald Wetzler vom Verband Baden-Württembergischer Zuckerrübenanbauer erklärt: "In der Nacht vom 19. auf 20. April führten starke Nachtfröste in vielen Regionen Baden-Württembergs zu teils massiven Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen – auch bei Zuckerrüben. Bis minus acht Grad setzten den Pflanzen arg zu. Im Offenauer Einzugsgebiet hielten sich die Schäden in Grenzen. Frostbedingte Ausfälle gab es bis Redaktionsschluss nicht.
Im östlichen Rübenanbaugebiet, das dem Werk Rain am Lech zugeordnet ist, hat der Frost (bis minus 11° C) zu Ausfällen in größerem Umfang geführt. Dort war der Boden bis zu drei Zentimeter tief gefroren. Als Folge hatte sich die obere Bodenschicht angehoben, und die Rüben wurden regelrecht abgerissen."
Mais
Dr. Hubert Sprich, Produktmanager der ZG Raiffeisen, beobachtete: "Die Nachtfrösten von bis zu -6°C in der vergangenen Woche haben in Südbaden zu starken Schäden an bereits aufgelaufenem Mais geführt. Betroffen sind in erster Linie Frühsaaten, die Ende März und Anfang April gesät wurden und zum Zeitpunkt der Fröste bereits 2- 3 Blätter hatten. Die oberirdischen Blätter sind völlig erfroren. Die Wurzeln sind teilweise intakt, aber vermutlich können sie keinen zweiten Trieb mehr machen. Die späteren Saaten, die noch nicht aufgelaufen waren bzw. im Keimblattstadium, dürfte keinen wesentlicher Schaden genommen haben. Stark betroffen sind ca. 500 Hektar wovon die ersten Flächen wurden bereits umgebrochen wurden und in den nächsten Tagen erneut gesät werden müssen.
Kartoffeln
Bei den Frühkartoffeln sind vielerorts, auch unter Vlies, die oberirdischen Pflanzenteile abgestorben. Die tiefer im Boden sitzende Knolle dürfte überall unbeschadet sein. Die Kartoffeln werden wieder austreiben, aber sie werden in der Entwicklung um gut zwei bis drei Wochen zurückgeworfen. Viele Frühkartoffeln können nicht als Frühkartoffeln vermarktet werden, sondern sind erst später erntereif. Wie gut die Knolle ihre Kräfte wieder mobilisieren kann, hängt vom zukünftigen Klima ab: Warme, feuchte Witterung ist dabei optimal.
Erdbeeren und Spargel
In den Erdbeer-Hauptanbaugebieten in Baden lagen die Temperaturen meist bei maximal -3°C. Durch Frostschutzberegnung und Folientunneln sowie durch Fließabdeckungen konnten vermutlich größere Schäden verhindert werden, wie der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e. V. (VSSE) erklärt. Bei Spargel, beispielsweise in den ausgetriebenen Junganlagen und Grünspargel sind vermutlich ebenfalls Schäden aufgetreten. In Bleichspargel wird maximal eine Tagesernte betroffen sein, sofern die Spitzen aus der Erde ragten und direkt die Folie berührt haben. Das stellt jedoch keinen enormen Schaden. Eventuell haben Erzeuger in höheren Lagen, die keine Frostschutzberegnung haben und keine Abdeckungen mehr kaufen konnten einen größeren Schaden.
Autor: Brigitte Werner-Gnann,Sonja Minardi, Doris Ganninger-Hauck