Kreisbauerntag 2018 in Donzdorf
Mehr Augenmaß in der Politik notwendig
Donzdorf (Landkreis Göppingen), Donnerstag, 8. März 2018
Kreisbauerntag des Kreisbauernverbandes Göppingen
DBV-Vizepräsident Walter Heidl: Für Familienbetriebe machbare Konzepte nötig
Heidl tritt ans Pult. Er schmunzelt. „Probleme erkannt“, spielt der eigentliche Hauptredner auf die doch recht langen Grußworte und Einführung des Kreisvorsitzenden an. Hermann Färber hatte die Stellen skizziert, an denen den Landwirten der Schuh drückt.
„Konzepte gemacht, viele Experten sprechen mit, die Landwirtschaft soll alles erfüllen“, bringt Heidl sein Vortragsthema auf den Punkt. Die bäuerliche Landwirtschaft droht öfters „zwischen Gesellschaft, Politik und Markt“ zerrieben zu werden. Das ist das zentrale Thema beim Kreisbauerntag am Donnerstagabend vergangener Woche in Donzdorf (Landkreis Göppingen).
Lob für die Frauen
Heidl zeigt Redegeschick. In hellen Tönen lobt er die ausgezeichnete Arbeit von Betriebsleiterinnen und Bäuerinnen. Ein Vorredner hatte ihm mit dem Hinweis auf den Weltfrauentag „diesen Effekt weggenommen“, hat Heidl die Lacher auf seiner Seite. Dem Landwirt aus dem bayerischen Landkreis Dingolfing-Landau nehmen die Zuhörer das Lob für die Damen ab. Denn während der bayerische Bauernpräsident „große Politik“ für den Berufsstand macht, kümmert sich seine Ehefrau mit einem Nachbarn um den Betrieb im bayerischen Landkreis Dingolfing-Landau.
Für Sachlichkeit und Fairness
Fein unterscheidet Heidl zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung. „Wir Bauern haben in der Öffentlichkeit sehr gute Imagewerte“, freut er sich. In der veröffentlichten Meinung dagegen würden die Landwirte öfters für vieles verantwortlich gemacht, verweist der DBV-Vizepräsident auf die bereits zweimal zur „Unstudie des Monats“ titulierten Untersuchung zum „Insektensterben“. Diese fragliche „Auszeichnung“ erhielt sie von Wissenschaftlern wegen ihrer Schwächen in der Methodik. Sicherlich habe auch die Landwirtschaft ihren Anteil am Artenrückgang. Zugleich aber eben auch die anderen Wirtschaftszweige und alle Bürger, fordert Heidl „Sachlichkeit und Fairness“ in der Diskussion ein.
Erleichtert zeigt sich der Hauptredner über die Große Koalition „auf der Zielgeraden“. Denn in Brüssel stünden „wichtige Weichenstellungen“ für die Bauern an. So die Ausstattung des künftigen Haushaltsbudgets und die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Sorge bereitet Heidl angesichts des Brexit die Einheit Europas. In dieser Situation sei eine handlungsfähige Bundesregierung besonders wichtig.
In den Standort investieren
Durch den Brexit fallen künftig für den EU-Haushalt rund 12 Milliarden Euro weg, welche bisher die Briten jährlich einzahlen. Wie bedeutend der Handel mit Großbritannien für die deutsche Wirtschaft ist, zeigt sich im Handelsbilanzüberschuss von jährlich 3,5 Milliarden Euro. Ferner kommen auf die EU neue Herausforderungen wie Grenzsicherung und Migration zu. „Wir müssen jetzt in den Wirtschaftsstandort Deutschland investieren. Jeder siebte Arbeitsplatz im ländlichen Raum ist in der Agrar- und Ernährungsbranche angesiedelt“, erklärt der bayerische Bauernpräsident.
Regional und international
„Wir brauchen beides, die Vermarktung in der Region und den Export“, betont Heidl. In anderen Branchen würde das nicht infrage gestellt, verweist er beispielhaft auf die Automobilindustrie. Dort beläuft sich der Selbstversorgungsgrad in Landkreisen mit Automobilwerken oft über 2000 Prozent. „Wir müssen aufpassen, nicht in Selbstbeschränkung getrieben zu werden“, warnt Heidl.
Weide oder Wolf
„Weide oder Wolf?“ Das ist für den bayerischen Bauernpräsidenten keine Frage. Ob es in Bayern, Baden-Württemberg oder anderen Ländern ausreichend Lebensraum für den Wolf gibt, dagegen schon!
Deshalb begrüßt er die „klare Aussage zum Wolf“ im Koalitionsvertrag: „Die Weidetierhaltung ist aus ökologischen, kulturellen und sozialen Gründen sowie zum Erhalt der Artenvielfalt und Kulturlandschaft zu erhalten. Im Umgang mit dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität.“
Klare Positionen
Eindeutig formuliert der bayerische Bauernpräsident zahlreiche weitere Positionen des Berufsstandes.
So fordert er bei der Fleischkennzeichnung „die Stufe null“ für Produkte, die nicht aus Deutschland stammen. Er begründet das damit, weil in der Welthandelsorganisation (WTO) in den Importländern die Standards aus dem Herkunftsland gelten. Und diese sind nun einmal in vielen Drittstaaten deutlich laxer als in der EU und Deutschland.
Bei den Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration unterstützt Heidl „den vierten Weg“.
Große Sorge bereitet dem bayerischen Bauernpräsidenten der hohe Flächenverbrauch. „Es gibt intelligentere Möglichkeiten als sie Ausweisung der 100. Streuobstwiese“, fordert er flächensparende Lösungen.
Wenn Ausgleich Unsinn wird
Als „Unsinn“ hatte Hermann Färber in seiner Einführung die derzeit oft praktizierte Art des naturschutzrechtlichen Ausgleichs für Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen- oder Siedlungsbau bezeichnet. Ein Thema, das den Landwirten immer mehr unter den Nägeln brennt. So wundert es nicht, wenn sich der Kreisvorsitzende über Millionen-Ausgaben für die Umsiedlung von Eidechsen, Juchtenkäfern und anderen Wildtierarten ärgert.
Dankbar ist er dagegen für die Frosthilfe des Landes im vergangenen Jahr, die sich mittlerweile in der Auszahlung befindet. Ferner begrüßt er die insgesamt zügige Abwicklung der Ausgleichszahlungen 2017, nachdem sich diese im Vorjahr „doch recht schmerzlich“ gestaltet hatte.
Höhere Preise für höhere Ansprüche
„Heute will die Gesellschaft eine andere Landwirtschaft. Tiere von der Weide, keine Gentechnik, keine Chemie, selbstverständlich zum gleichen Preis wie gewohnt“, hatte Färber zu Heidls Vortrag übergeleitet.
Im Gegensatz zu Versicherungen aus dem Lebensmitteleinzelhandel drohten auf die Landwirte sowohl neue Qualitätskriterien als auch weiterer Preisdruck zuzukommen, fürchtet der Kreisvorsitzende. „Am Markt müssen sich die gesellschaftlichen Anforderungen in höheren Preisen widerspiegeln“, fordert Färber. Dann würden sich die Landwirte den Ansprüchen der Gesellschaft nicht verschließen, ist er überzeugt.
Autor: hk