Kreisbauerntag in Wäschenbeuren
Hartelt für Wende in der Umweltpolitik
Wäschenbeuren (Landkreis Göppingen), 28. März 2019
Kreisbauerntag in Wäschenbeuren
Hartelt: Wir brauchen eine Wende der Umweltpolitik
Eine halbe Stunde vor 23 Uhr. Zweieinhalb Stunden Bauerntag haben die Zuhörer hinter sich. DBV-Umweltbeauftragter Eberhard Hartelt hat eineinviertel Stunden engagiert über „Natur und Landwirtschaft – Kooperation statt Konfrontation?!“ gesprochen. Hartelt ist zugleich Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd.
Lernen in Amerika?
Der Landwirt aus Göllheim im Pfälzer Donnersbergkreis weiß, wovon er spricht. Nach dem Krieg hat die Familie seines Vaters, ebenso wie sieben andere am Ort, aus Hunger Wald gerodet, um ihre Betriebe und Bauernhäuser selbst aufzubauen, Stein auf Stein. Geld war knapp. Bald darauf hieß es: „Ihr mit Euren kleinen Strukturen, Ihr müsst betriebswirtschaftlicher werden! Fahrt doch einmal nach Amerika. Dann seht Ihr, wie das geht!“
„In den 90er Jahren hatte die Gesellschaft noch von der Landwirtschaft gefordert: „Ihr müsst effizienter, moderner werden“, erinnert sich Hermann Färber. „Heute sollen wir umweltfreundlicher werden. Ist dieser Spagat lösbar“, fragt sich der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Göppingen.
Färber sieht unter den Bauern „große Bereitschaft, sich den Herausforderungen auch im Umweltschutz zu stellen.“ Doch bei der Frage „Wer bezahlt das?“ ist er skeptisch und verweist auf eine neue Umfrage der Hochschule Osnabrück. Danach sind nur 16 Prozent der rund 18.000 Testkäufer bereit, mehr für Tierwohl zu bezahlen. Und das auch nur bis zu 30 Cent je Kilogramm.
Mehr Intelligenz nötig
„Wir Landwirte sind zu vielem bereit, doch jemand muss es bezahlen“, bestätigt Hartelt Färbers Aussagen. Und wir benötigen „intelligentere Lösungen“. Beim Flächenverbrauch für Siedlungszwecke „dürfen zum Ausgleich nicht nur immer weitere Flächen der Landwirtschaft entzogen werden“, fordert der DBV-Umweltbeauftragte.
„Bei Umweltthemen wie dem Artenschutz müssen wir Landwirte uns ein Stück ehrlich machen“, formuliert Hartelt. Es bedürfe keiner Beweise mehr „Wir sind Mitverursacher“. Jedoch seien die Landwirte eben nicht die alleinigen Verursacher, betont er. „Gerade bei der Biodiversität machen wir bereits viel. Die Bereitschaft von Landwirten ist absolut da. Das beweisen unter anderem die Greeningflächen, Blühstreifen und vieles andere“.
„Wenn man uns Bauern nur machen lässt, entsteht eine ganze Menge für den Naturschutz.“
Lösungen vor Ort!
Hartelt verweist auf zahlreiche Aktivitäten in der Pfalz, wo sich Landwirte zusammentun, gemeinsame Spezialmaschinen anschaffen und auf kommunaler Ebene mit anderen Verbänden und Organisationen im Naturschutz zusammenarbeiten. „Wenn man uns Bauern nur machen lässt, entsteht eine ganze Menge für den Naturschutz“, plädiert er für solche Kooperationen mit Imker, Jägern und Vertretern der Naturschutzverbände. „Wir schauen, wo es Defizite gibt, bringen den Fach- und Sachverstand von allen Beteiligten ein und finden gemeinsam Lösungen“, plädiert Hartelt für Dialog und Zusammenarbeit vor Ort.
In der Einbindung der Landnutzer in naturschutzrechtliche Planungen sieht der DBV-Umweltbeauftragte eine wichtige Maßnahme für den Erfolg. Die Anerkennung der Landwirtschaft als Partner, die Freiwilligkeit der Maßnahmen und Honorierung der Leistungen finanziell wie ideell – das sind nach seiner Erfahrung ebenfalls wichtige Erfolgsbausteine, um den Naturschutz weiter voranzubringen. Zutaten in Hartelts „Erfolgsrezept für den Naturschutz“ sind weiterhin Verlässlichkeit der Politik und der Kooperationspartner sowie ökonomisch tragfähige Lösungen für die Landwirtschaft.
Naturschutz mit den Bauern
„Wir brauchen nicht nur eine weiterhin veränderungsbereite Landwirtschaft, sondern eine Wende der Umweltpolitik“, fordert Hartelt die Berücksichtigung der genannten Erfolgskriterien in der Politik. „Natur- und Umweltschutz geht nur mit der Landwirtschaft“, ist für ihn klar. Er sieht die Landwirtschaft in Sachen Nachhaltigkeit im weltweiten Vergleich „gut aufgestellt und auf dem richtigen Weg“.
Für den praktischen Landwirt ist es keine Frage, dass „die Betriebe ihre Produktion weiterentwickeln und auch im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit verbessern“. Zusätzliche Anforderungen dürften die Leistbarbarkeit der Betriebe jedoch nicht überfordern, warnt er. „Neue Anforderungen müssen in der Praxis umsetzbar und wirtschaftlich tragfähig sein“, erklärt Hartelt und unterstreicht die Bereitschaft der Landwirtschaft zum Dialog.
Landwirtschaft und Laubfrosch
Kreisvorsitzender Färber zeigt sich „schockiert, wie in manchen Orten über Landwirtschaft nach dem Motto gesprochen wird: „Wir brauchen die Bauern nicht mehr“. Es sei zu hoffen, „wir kommen wieder zu einer anderen Sprache und zu einem Miteinander“, verweist Färber auf ein Zitat des früheren langjährigen Bauernpräsidenten Ernst Geprägs: „Wir brauchen eine existenzfähige Landwirtschaft und zugleich den Laubfrosch“, hatte dieser es auf den Punkt gebracht. „Landwirtschaft und Wohnungen“, überträgt der Kreisvorsitzende dessen Aussage auf den hohen Verbrauch landwirtschaftlicher Nutzflächen.
In Sachen Naturschutz nur auf die Politik zu zeigen, nach dem Motto „die sollen es richten“, damit sei es nicht getan. Für jeden Bürger gelte es „zu schauen, was ich selbst tun kann“, betont der Kreisvorsitzende und zugleich Bundestagsabgeordnete. Die Landwirtschaft ist für ihn „Teil der Lösung“ erklärt er mit dem Verweis auf erneuerbare Energien, Wasser- und Klimaschutz sowie Biodiversität.
Womit er zum Insektenschwund kommt. Dafür seien viele Ursachen verantwortlich. Ihn stört, „dass viele nur reden, auf die Landwirtschaft als allein Schuldige zeigen und selbst nichts oder nur wenig für den Umweltschutz tun“, spricht Färber deutliche Worte.
Bauern bieten Blühpatenschaften
Im Sinne von mehr Natur- und Umweltschutz wirbt der Kreisvorsitzende intensiv für die neuen Blühpatenschaften. Bei dieser Aktion gemeinsam mit dem Landesbauernverband in Baden-.Württemberg (LBV) und den Kreisbauernverbänden legen Landwirte für interessierte Bürger Blühflächen an und pflegen diese das ganze Jahr über.
- Landwirte können ihr Angebot auf der neuen Webseite www.bwbluehtauf.de des Landesbauernverbandes einstellen.
- Die Bürger können über diese neue Plattform des Landesbauernverbandes Kontakt mit den Landwirten knüpfen und eine Blühpatenschaft besiegeln.
„Das zeigt, wie aufgeschlossen wir Landwirte für die Biodiversität sind. Ich bin gespannt, wie viele Bürger teilnehmen“, freut sich Färber über den Start dieser Aktion im März.
Autor: hk