Erntedank: Mehr als ein Fest der Ernte
Wirklich richtig liegt zu Beginn der Erntedankfeier der Waldarbeiterchor ‘Zwiefalter Alb’ mit seinem Lied „Oh Herr, welch ein Morgen“. Nach dem durchwachsenen Wetter der Vortage zieht auf dem Wasengelände die Sonne auf und der ‘Goldene Oktober’ hält Einzug. So strömen die Besucher nicht nur in Halle 1, sondern auf das ganze Hauptfest-Gelände und lassen die Besucherzahlen während der ganzen neuntägigen Fachmesse mit rund 190.000 auf das Niveau des Jahres 2006 anklettern.
Erntedankfest gibt Anlass zum Nachdenken
Im Laufe der vergangenen Jahre habe sich das Erntedankfest immer mehr „zum Fest der Bauern und des ländlichen Raumes entwickelt“, stellt Joachim Rukwied, Präsident des Landesbauernverbandes (LBV), des Veranstalters des Landwirtschaftlichen Hauptfestes (LWH), fest. Das Erntedankfest habe aber für alle Bürger Bedeutung. Denn die gesamte Menschheit sei auf Gottes Segen angewiesen. Volle Teller seien nämlich „nicht selbstverständlich“, meint Rukwied. Die enormen Auswirkungen der Witterungseinflüsse auf den Ernteverlauf und den Ertrag habe gerade das Jahr 2010 besonders anschaulich vor Augen geführt.
"Erntedank ist nicht nur ein Fest der Ernte und des Dankes dafür, sondern regt auch zum Nachdenken an“, betont der Landesbauernpräsident. Es gebe mehr als eine Milliarde hungernder Menschen auf dem Erdball. Für diese sei das tägliche Brot nicht selbstverständlich. Der Hunger auf der Welt sei Anlass nachzudenken, wie die Situation verbessert werden könne.
„Für mich persönlich hat Erntedank nach wie vor die traditionelle Bedeutung, für die gesegnete Ernte zu danken, aber auch dafür, dass wir in der Familie gesund sind und wir auch zukünftig bleiben und darüber dankbar sein können“, sagt Rukwied.
Mit Freude über die Ernte das Glücksempfinden steigern
Mit dem Bestreben nach finanziellem Erfolg sei heute der Dank etwas abhanden gekommen, meint Hannelore Wörz, Präsidentin des Landfrauenverbandes Württemberg-Baden. Mit Sicherheit würde es das Glücksempfinden steigern, Freude über die Ernte zu haben und zu danken. Wer sein Verhalten überprüfe, könne gelassener durchs Leben gehen und häufig auf einiges verzichten, beispielsweise auf Lebensmittel, für die weite Transportwege nötig sind.
Wörz ruft dazu auf, den Erzeuger-Verbraucher-Dialog zu nutzen. Das würde von manchen Vorurteilen befreien. Als Beispiel nennt sie die bewusste Auseinandersetzung mit Lebensmitteln. Hier gelte es, das persönliche Verhalten zu hinterfragen. Beim Erntedank würden die Menschen mehr Zufriedenheit empfinden, wenn sie mit Freude dankbar seien, unterstreicht die Landfrauen-Präsidentin.
„Mit Verstand einkaufen“, sich über das eigene Verhalten bewusst sein
Mit einem „Gespräch im Supermarkt“ über das Motto „Einmal hin, alles drin ...“ regen Vorsitzende Andreas Laible und Pressesprecherin Silke Hofmann vom Landjugendverband Württemberg-Baden zum Nachdenken über den Lebensmitteleinkauf nach. Muss es unbedingt die Ananas sein? Oder vielleicht doch Äpfel und anderes Obst aus der Region, frisch und geschmackvoll erworben von einem der hiesigen Direktvermarktungsbetriebe?
„Mit Verstand einkaufen“, sich über das eigene Verhalten und seine Folgen bewusst sein - dafür plädieren die beiden Akteurinnen von der Landjugend.
Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten
„Denkt daran: Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten; wer reichlich sät, wird reichlich ernten.“ So heißt es im 2. Korinther 9, Verse 6 bis 10, die Landesbauernpfarrer Dr. Jörg Dinger und Pfarrer Libert Hirt als Grundlage für ihre Predigt nahmen. Großer Einsatz bringe freilich nicht immer großen Erfolg, sondern oft genug nur magere Ergebnisse, gibt Dinger zu denken. Der Apostel Paulus verweise aber auch auf andere Erfahrungen, nämlich Segenserfahrungen. Segen stelle sich allerdings nicht automatisch ein. Wer im Zeichen des Segens säe, werde auch im Segen ernten. Dazu brauche es eines langen Atems und des Erntedankfestes, „bei dem wir uns das in Erinnerung rufen“, betont der Landesbauernpfarrer.
Auf einen alten Ritus bereits vor Jahrtausenden kommt Libert Hirt zu sprechen. Das Volk Israel habe schon damals die ersten Früchte Gott geweiht. Damit werde verdeutlicht: „Was wir bekommen, haben wir von Gott“, so Hirt.
Gutes für andere zu tun: „Wer teilt, reicht weiter“
Natürlich stelle sich manchmal die Frage „Wie können wir danken?“, wenn beispielsweise die Ertragslage des Betriebes unbefriedigend ist, räumt Dinger ein. Wir im Land hätten genug zu essen und zu trinken. Für Menschen in anderen Ländern sei das nicht selbstverständlich. Gott beschenke uns mit guten Gaben. So hätten wir die Möglichkeit, „Gutes für andere zu tun“, betont der Landesbauernpfarrer.
Wir leben nicht im Schlaraffenland, meint Pfarrer Hirt. Bei der Agrarpolitik sei noch einiges offen, wie die Landwirte eine sichere Basis für ihre Höfe erhalten könnten. Dennoch solle man das Glaubensbezeugnis stehen lassen, wie sehr der Herr uns bedacht habe: „Wer teilt, reicht weiter“ solle stärker zur Selbstverständlichkeit werden. „Teilen, damit andere überleben können“, gelte gerade auch in einer globalen Welt.
Autor: hk