Landwirte wollen Ackerflächen bewirtschaften statt stilllegen
Bauernverband erklärt anlässlich der Agrarministerkonferenz im Kloster Schöntal:
Künftige Agrarpolitik muss landwirtschaftliche Betriebe im Wettbewerb stärken. Aufgrund der angespannten Welternährungssituation dürfen keine Flächen aus der Produkti-on genommen werden.
Die von der EU-Kommission in der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2014 geplante Ausweisung von sieben Prozent der Ackerfläche in jedem einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb als ‚ökologische Vorrangflächen’ wird vom Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV) scharf kritisiert. „Dieses Vorhaben ist unangebracht und bei rund einer Milliarde hungernder Menschen auf der Erde völlig unverständlich. Wir Landwirte im Land, in Deutschland und Europa möchten unseren Teil zur Welternährung beitragen und nicht zwangsweise Flächen stilllegen“, erklärt der Bauernverband anlässlich der Agrarministerkonferenz im Kloster Schöntal (Hohenlohekreis) am 27. September 2012.
Der Landesbauernverband weist darauf hin, dass die strikte Einhaltung zahlreicher – und in Deutschland besonders hoher – Auflagen in den Bereichen Natur-, Umwelt- und Tierschutz sowie der Lebensmittelhygiene schon seit Jahren Voraussetzung für den Erhalt landwirtschaftlicher Ausgleichszahlungen ist.
Weitere und zusätzliche Auflagen, wie sie von der Kommission im sogenannten „Greening“ vorgesehen sind, müssen so gestaltet sein, dass sie einerseits die Konkurrenzfähigkeit unserer Betriebe im globalen Wettbewerb nicht untergraben, andererseits aber auch den Anforderungen an Natur- und Umweltschutz wirklich gerecht werden. Dazu gehören zum Beispiel moderne technische Produktionsverfahren wie der Einsatz von Global Positioning System (GPS) zur Dünge- und Pflanzenschutzoptimierung im Ackerbau, erläutert der Landesbauernverband.
Ebenso sind bereits bestehende und von den Betrieben mit hohem Engagement umgesetzte Agrarumweltprogramme für das Greening anzuerkennen.
Deshalb müsse der Berufsstand das EU-Parlament und den Agrarministerrat überzeugen, den Greening-Vorschlag nochmals grundlegend zu überarbeiten, betont Vizepräsident Klaus Mugele bei einem Pressegespräch des Verbandes auf einer stillgelegten Fläche unmittelbar vor dem Tagungsort der Agrarministerkonferenz im Kloster Schöntal.
Die Landwirte haben große Plakate mit der Aufschrift „Welternährung sichern statt Flächen stilllegen“ unter anderem auf einem mit Getreide voll beladenem Zehn-Tonnen-Anhänger angebracht. Sie demonstrieren auf diese Weise deutlich sichtbar ihre Abneigung gegen die geplante zwangsweise Stilllegung ihrer Nutzflächen. „Beste Ackerböden lässt man nicht brach liegen, die bewirtschaftet man“, meint Mugele.
Die Bevölkerung erwartet viel von der Landwirtschaft, nämlich eine die Natur schonende und nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln, die Pflege und Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft sowie die Beachtung hoher Umwelt- und Tierschutzstandards. „Diese Ansprüche der Gesellschaft sind nur mit wettbewerbsfähigen Betrieben zu erfüllen“, betont der LBV-Vizepräsident, „denn nur wettbewerbsfähige Betriebe können auch in Zukunft Landwirtschaft betreiben. Hierzu müssen Leistung belohnt und Innovationen gefördert werden.“ Den Luxus zwangsweiser Flächenstilllegungen dürfe sich Europa angesichts der weltweiten Hungerproblematik nicht leisten.
„Die Belange unserer deutschen Landwirtschaft müssen in der Agrarpolitik der EU besser berücksichtigt werden“, fordert der LBV. Er sieht dabei sowohl die Bundesagrarministerin Ilse Aigner als auch den baden-württembergischen Landwirtschaftsminister und Vorsitzenden der Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern, Alexander Bonde, in der Pflicht. „Wir brauchen nicht noch zusätzliche Verbote und Reglementierungen. Wir brauchen Unterstützung, um unsere Land- und Forstwirtschaft im Wettbewerb zu stärken“, erklärt Mugele.
Hintergrundinformationen
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP): Am 18. November 2010 veröffentlichte die EU-Kommission ihre erste offizielle Mitteilung zur GAP für 2014 bis 2020. Am 12. Oktober 2011 ging die Brüsseler Behörde mit ihren Legislativvorschlägen an die Öffentlichkeit. Voraussichtlich im Frühjahr 2013 wird über die endgültigen Gesetzestexte entschieden.
Aus der Ersten Säule der GAP werden die Direktzahlungen an die EU-Landwirte finanziert. Damit werden Preissenkungen als Folge der Liberalisierung der Märkte ausgeglichen. Dazu sind genau vorgeschriebene Standards für den Umwelt-, Klima- und Tierschutz einzuhalten.
Aus der Zweiten Säule der GAP stammen die Mittel zur Förderung der ländlichen Entwicklung. Die Agrarumweltprogramme Baden-Württembergs werden hieraus mitfinanziert.
‛Greening’: Die zukünftigen Direktzahlungen aus der Ersten Säule sollen vom Einhalten zusätzlicher Umweltschutzmaßnahmen abhängen. Mindestens sieben Prozent der Ackerfläche sollen für ‛ökologische Vorrangflächen’ wie Landschaftselemente, Randstreifen, Brache und Aufforstung vorzusehen sein, d. h. sie sollen aus der Produktion genommen werden.
In Deutschland würden durch das geplante Greening rund 650.000 Hektar (ha) für die Nahrungsmittelproduktion nicht mehr zur Verfügung stehen, was einer Verringerung der Getreideproduktion von 4,5 Millionen Tonnen entspricht. Analog reduziert sich die bewirtschaftete Ackerfläche in der EU-27 um rund 6 Millionen ha, was einer Minderproduktion von 30 Millionen Tonnen Getreide gleichkommt.
Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg e. V. (LBV) vertritt über 40.000 Landwirte aus Baden-Württemberg. 24 selbstständige Kreisbauernverbände nehmen auf regionaler Ebene die Interessen des bäuerlichen Berufsstandes wahr. Insgesamt ist jeder zehnte Arbeitnehmer in Baden-Württemberg direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig.
Aktuelle Fotos finden Sie im Internet unter dem Menüpunkt „Presse“ auf www.lbv-bw.de.