Bürgerdialog
Welche Landwirtschaft wollen wir?
Die Landwirtschaft ist zu einem bedeutenden Gesprächsthema in unserer Gesellschaft geworden. Für viele Städter ist die Landwirtschaft weit draußen und das Wissen darüber weniger geworden.
Bürger fragen, Bauern antworten. So lautet das Konzept des Bürgerdialogs initiitert vom Deutschen Bauernverband (DBV). Mehr und mehr Menschen interessieren sich dafür, wie ihre Lebensmittel produziert werden und woher sie kommen. Doch was weiß der Otto-Normal-Verbraucher eigentlich über die Landwirtschaft? Viel zu selten wird das Gespräch mit dem Produzenten gesucht, um Sachverhalte von Grund auf zu hinterfragen.
Beim ersten Bürgerdialog am Montag stellten sich Miriam Hecht (Schweinehalterin aus Sulmingen, Kreis Biberach), Denis Schwaderer (Milchviehhalter im Stiftsgrundhof, Rems-Murr-Kreis) und DBV- sowie LBV-Präsident Joachim Rukwied den Fragen der rund 150 anwesenden Verbraucher. Alle drei sind leidenschaftliche Landwirte, die auf ihren Betrieben die Öffentlichkeitsarbeit fest integriert haben.
So wundert es auch nicht, dass in der Diskussion mit den Verbrauchern die ein oder andere Antwort wie aus der Pistole geschossen kommt. „Auf der einen Seite sind es immer wieder die gleichen, oftmals auch berechtigten Fragen, die bei uns ankommen. Auf der anderen Seite interessieren sich viele Menschen überhaupt nicht für die Herkunft der Lebensmittel“, gibt Hecht zu bedenken.
Zu jeder Frage eine Antwort
Die Palette an Fragen, die an die Bauern gestellt wird, ist bunt gemischt: Wieso werden die Milchkühe enthornt? Warum werden heimische Leguminosen nicht viel mehr angebaut und verfüttert? Warum wird so wenig Werbung für heimische Produkte gemacht? Was kann man gegen den Flächenverbrauch tun? Was sagen sie zu den aktuellen Erzeugerpreisen, wer legt diese eigentlich fest?
Wieso fließen so viele Agrar-Subventionen, wo bleibt die Deckelung? Rukwied beschriebt die Mechanismen des Marktes für den Handel von landwirtschaftlichen Produkten, die auch für die Landwirtschaft gelten und die Notwendigkeit von Beihilfen für die europäischen Bauern. In diesem Zusammenhang machte Rukwied deutlich, dass Bauern über 2000 Auflagen einhalten müssten, auch Agrarumweltmaßnahmen, um die EU-Direktzahlungen zu erhalten.
Fragen über Fragen, die von den drei Landwirten gekonnt beantwortet werden. Es fällt auf, dass viele Fachbegriffe nochmals erklärt werden. Verbraucher schnappen diese in der allgegenwärtigen Medienarbeit auf, ohne oftmals zu wissen, was sich genau dahinter verbirgt.
Natürlich merkt man auch in dieser Veranstaltung, dass das Tierwohl einen hohen Stellenwert hat. So bleibt auch die Frage nicht aus, warum es denn nötig sei, die Übergangszeit beim Thema Ferkelkastration um zwei Jahre zu verlängern. Man hätte doch schon fünf Jahre Zeit gehabt, sich als Landwirt umzustellen. Miriam Hecht, die von einem Hof mit Sauenhaltung kommt, erklärte ausführlich die Möglichkeiten bei der umstrittenen Ferkelkastration. Und das auch mit dem nötigen 'Einfühlungsvermögen'. So erklärt sie, dass sie die Kastration beim Ferkel in nur 7 Sekunden durchführt - bei dieser Aussage zucke selbst ihr Freund zusammen. Betroffene Gesichter bei den männlichen Besucher, ein Lächeln bei den anwesenden Damen. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied betonte wiederholt, dass der geregelte Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration ausdrücklich gewünscht sei, notwendig seien aber auch praxistaugliche Lösungen für alle Betriebe.
Sensibel wird auch das Insektensterben hinterfragt. Welcher Zusammenhang besteht hier eigentlich mit Neonikotinoiden? Landwirte wirtschaften mit der Natur, eine diversifizierte Landwirtschaft mit einer vielseitigen Fruchtfolge, Blühstreifen und Zwischenfruchtanbau ist auf den meisten Betrieben Standard. „Jeder Landwirt versucht das zu machen, was in seinen Möglichkeiten steht. Die Hauptaufgabe bleibt jedoch die Produktion von hochwertigen Nahrungsmitteln“, erklärt Rukwied abschließend.
Autor: Katrin Fischer