Woher kommt die Wurst?
Politik setzt heimische Tierhaltung aufs Spiel
Am Freitag fiel der Startschuss bei der Fußball-Europameisterschaft. Für viele Fußball-Fans gehört die Bratwurst zum Erlebnis dazu, wie für andere gefärbte Eier zu Ostern oder Plätzchen zu Weihnachten. Doch woher kommen die Rohstoffe für den Grillspaß und was bewegt die Erzeuger und Produzenten dahinter? Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV) und der Landesinnungsverband für das Fleischhandwerk in Baden-Württemberg beziehen in einer gemeinsamen Pressemitteilung Stellung.
Die landwirtschaftliche Tierhaltung steht seit Jahren unter enormen Druck. Immer neue Auflagen und Vorgaben sorgen dafür, dass die Betriebe kaum noch Schritt halten können. Änderungen im Betrieb sind oft mit größeren Baumaßnahmen verbunden, die sehr kostspielig sind und daher auf mehrere Jahrzehnte ausgelegt sind. Aktuell überschlagen sich die politischen Entscheidungen jedoch, fast jährlich kommen neue Änderungen hinzu, die umgesetzt werden sollen. Damit fehlt den Betrieben jegliche Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Der Strukturwandel hat in den letzten Jahren zu einem rapiden Rückgang bei den Schweinebeständen geführt. Laut den jüngsten Angaben des Statistischen Landesamtes » scheint sich die Lage zwar aktuell wieder etwas zu stabilisieren, doch in Summe nimmt die Schweinehaltung in Baden-Württemberg weiter ab. Zum Stichtag 3. Mai 2024 wurden in Baden-Württemberg 1.490 schweinehaltende Betriebe erfasst, das sind erneut 3,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Schweine nahm ebenfalls um 2 Prozent ab und liegt nun bei 1,25 Millionen Tieren. Stützend wirkt hier, dass der Zuchtsauenbestand und damit auch die erzeugten Ferkel wieder leicht zugenommen haben. Dies hängt vermutlich unter anderem damit zusammen, dass heimische Ferkel knapp sind und dementsprechend zu stabilen Preisen (aktuell 90 Euro pro Ferkel) vermarktet werden können, sodass Sauenbetriebe, die in den letzten Jahren ihren Bestand reduziert hatten, nun teilweise die bestehende Produktionskapazität wieder belegen. Trotz alledem fehlt den Schweinehaltern die langfristige Perspektive, sodass sich der absinkende Trend in den nächsten Jahren noch weiter fortsetzen wird nach Meinung der betreuenden Verbände. Auch die nachgelagerte Branche sieht diese Entwicklung mit großer Sorge. Daher gilt es jetzt auf bundespolitischer Ebene endlich aufzuwachen, damit die heimische Tierhaltung in Baden-Württemberg noch eine Zukunftsperspektive hat.
Unsere Forderungen lauten daher:
Umbau der Tierhaltung
Für den Umbau der Tierhaltung benötigen die landwirtschaftlichen Betriebe Planungssicherheit und finanzielle Unterstützung. Die aktuellen politischen Handlungen wie das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz und die damit verbundene Förderung und die Änderungen des Tierschutzgesetzes können diese jedoch nicht bieten, sondern verschärfen die Lage vielmehr noch, da die Investitionslast und die Unsicherheit bei der Planung die Zukunftsaussichten der Landwirte erheblich einschränken. Eine ernsthafte Unterstützung der regionalen Wertschöpfungskette erfordert gezielte, langfristige und planbare Unterstützung, in Hinblick auf die Finanzierung der Umbaumaßnahmen und die gesetzlichen Regelungen. Beschleunigte Genehmigungsverfahren, insbesondere für den Umbau von Tierwohlställen, und eine Lockerung des Immissionsschutz- und Baugesetzes sind zwei Aspekte, die für eine flächendeckende Transformation der Tierhaltung notwendig sind.
Geplante Regelung zum Kupierverzicht im Tierschutzgesetz nicht praxistauglich
Das Kupieren von Ferkeln im Rahmen der guten fachlichen Praxis dient präventiv dazu, im späteren Verlauf der Schweinemast Schwanzbeißen und die daraus resultierenden Folgeschäden für die Tiere zu minimieren. Die Problematik bei Schweinen ist ein multifaktoriell bedingtes Geschehen, für das es auch trotz intensiver Bemühungen der Landwirtschaft, unterstützt durch wissenschaftlich begleitete Projekte, noch keine endgültige Lösung gibt. Mit dem nationalen Aktionsplan Kupierverzicht gibt es bereits ein geeignetes Instrument, mithilfe dessen die Tierhalter versuchen, den Anteil an kupierten Tieren mittelfristig zu reduzieren.
Tierhaltungskennzeichnung
Aufgrund gravierender Schwachstellen und Regelungslücken fordern wir als Landwirte und Fleischer eine umfassende Überarbeitung des Gesetzes unter intensiver Einbeziehung der betroffenen Berufsgruppen, mit einer Verlängerung der Übergangsfristen zur verpflichtenden Umsetzung, bis eine tragende Lösung bundesweit gefunden wurde. Die angedachten Stichtage können aufgrund von fehlender Meldestrukturen nicht eingehalten werden.
Wichert: Landwirte sind tagtäglich bemüht, Tiere bestmöglich zu halten
Hans-Benno Wichert, Vizepräsident des Landesbauernverbandes und Vorsitzender des Fachausschusses Vieh und Fleisch, kennt die Sorgen und Nöte seiner Berufskollegen gut: „Uns Schweinehaltern setzt die aktuelle Situation enorm zu. Wir sind tagtäglich bemüht, unsere Tiere bestmöglich zu halten und trotzdem können wir es der Politik in Berlin nicht recht machen, ständig wird noch eine Schippe oben draufgelegt. Das zehrt an den Nerven, wenn man tagtäglich von der Politik vorgehalten bekommt, nicht genug zu tun.“
Pyck: Landwirte brauchen eine Perspektive, wie es weitergehen kann
Auch Rüdiger Pyck, stellvertretender Landesinnungsmeister des Landesinnungsverbandes für das Fleischerhandwerk, blickt besorgt auf die aktuellen Entwicklungen: „Das Fleischerhandwerk ist auf die regionalen Tierhalter angewiesen. Unsere Kunden kommen zu uns, weil sie unsere hochwertigen Produkte schätzen. Um das weiter bieten zu können, brauchen unsere Landwirte aber eine Perspektive, wie es weitergehen kann.“
Wichert und Pyck appellieren daher an die Vertreter der Politik auf Bundesebene, die Nöte der Schweinehalter endlich zu erkennen. Wer als Verbraucher die heimischen Landwirte unterstützen möchte, sollte Fleisch und Wurstwaren möglichst vor Ort in der Metzgerei einkaufen. Betriebe in Ihrer Region können Sie beispielsweise hier » finden. Gegen die Änderung des Tierschutzgesetzes in der aktuellen Form hat der Deutsche Bauernverband gemeinsam mit den Landesbauernverbänden eine Unterschriftenaktion gestartet. Hier » können Sie daran teilnehmen und unterzeichnen.
Hintergrund:
Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, www.statistik-bw.de »
Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg e. V. (LBV) vertritt rund 30.000 Landwirte aus Baden-Württemberg. 20 selbstständige Kreisbauernverbände nehmen auf regionaler Ebene die Interessen des bäuerlichen Berufsstandes wahr. Insgesamt ist jeder zehnte Arbeitnehmer in Baden-Württemberg direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig.
Der Landesinnungsverband für das Fleischerhandwerk in Baden-Württemberg ist die berufsständige Vertretung des Fleischerhandwerks in Baden-Württemberg und vertritt 1.600 handwerkliche Fleischereien mit rund 27.000 Mitarbeitenden.