Joachim Rukwied im Interview
Gehts jetzt mit vereinten Kräften aufwärts?
Die Internationale Grüne Woche fand am 20. und 21. Januar 2021 erstmals digital überwiegend unter Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft statt. Ganz ohne Publikum, das sonst in den Messehallen in Berlin Spezialitäten schmeckt und verzehrt. Ein erstes Fazit zieht Joachim Rukwied, Landwirt und Bauernpräsident im Interview mit BWagrar.
Joachim Rukwied im Interview mit BWagrar
Gehts jetzt mit vereinten Kräften aufwärts?
Joachim Rukwied, Landwirt aus Eberstadt (Landkreis Heilbronn), ist Präsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV) und des Deutschen Bauernverbands (DBV). Vergangene Woche fand die Internationale Grüne Woche erstmals digital überwiegend unter Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft statt. Ganz ohne Publikum, das sonst in den Messehallen in Berlin Spezialitäten schmeckt und verzehrt. Ein erstes Fazit zieht Rukwied im Interview mit BWagrar.
BWagrar: Herr Rukwied, Sie wollen möglichst viele landwirtschaftliche Betriebe erhalten. Beim agrarpolitischer Jahresauftakt des Bauernverbandes versicherten die Vertreter aller Bundestagsfraktionen, die Landwirtschaft nach vorne bringen zu wollen. Ist das den Wahlen in diesem Jahr geschuldet oder Grundlage, um den Rechtsrahmen zur besseren Honorierung der höheren Standards in Deutschland weiterzuentwickeln?
Rukwied: Inzwischen haben viele politische Entscheider verstanden, dass bei den Landwirten mehr ankommen muss. Dafür sind die künftigen politischen Rahmenbedingungen entscheidend. Beispielsweise beim Insektenschutzgesetz muss die Politik umsteuern und noch deutlich entschärfen.
„Wir brauchen besseres Bewusstsein, dass Leistungen über die Lebensmittelproduktion hinaus finanziellen Ausgleich verdienen.“
Die Gesellschaft ist aber auch gefragt. Es braucht vor allem ein besseres Bewusstsein in der Bevölkerung, dass die Leistungen der landwirtschaftlichen Betriebe über die Lebensmittelproduktion hinaus einen finanziellen Ausgleich verdienen.
BWagrar: Sie führen Gespräche mit Vertretern aus dem Lebensmittel-Einzelhandel (LEH). Wie stehen die Chancen für den von Ihnen ins Spiel gebrachten „Deutschland-Bonus“?
Rukwied: Den Deutschland-Bonus haben wir als eine Möglichkeit für die finanzielle Honorierung der höheren Produktionsstandards unserer landwirtschaftlichen Betriebe ins Spiel gebracht. Diese Qualität muss ein anderes Preisschild haben.
Jetzt geht es zunächst darum, ob der Lebensmittelhandel bereit ist, hier etwas zu tun.
BWagrar: Welche Funktion soll die von Ihnen ins Gespräch gebrachte „Food Border Tax“, also die Besteuerung von Lebensmittel-Einfuhren nach Deutschland und in die EU haben? Müssten dazu bestehende Handelsabkommen geändert werden?
Rukwied: Wir deutschen Landwirte erzeugen Lebensmittel unter höheren Standards als viele andere Staaten in und vor allem der außerhalb Europas. Deshalb sind zahlreiche Produkte günstiger produziert und verzerren teils massiv den Wettbewerb zu unseren Lasten. Eine Food-Border-Tax könnte das ausgleichen.
„Unsere hohen Standards dürfen nicht durch Importe unterlaufen werden; sie müssen sich in höheren Preisen widerspiegeln.“
Im Klartext heißt das, dass Produkte, die nicht zu unseren Standards hergestellt und in die EU eingeführt werden, deutlich mit Zöllen belastet werden müssen. Das sollte für alle Importwaren gelten.
Insbesondere bei neuen Abkommen muss dies Bedacht werden, bei einem möglichen MERCOSUR-Abkommen im Besonderen.
BWagrar: Wie beurteilen Sie die Einführung von Mindestpreisen, unter anderem unter dem Aspekt unterschiedlicher Produktionskosten je nach Betrieb, Standort und Organisation?
Rukwied: Mindestpreise in offenen Märkten einzuführen ist unrealistisch. Märkte funktionieren nach Angebot und Nachfrage, darauf basiert unser Wirtschaftssystem. Für uns sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen entscheidend. Hier setzen wir den Hebel an.
Aber eins muss klar sein: Unsere hohen Standards dürfen nicht durch Importe unterlaufen werden und die höheren Standards müssen sich auch in einem höheren Preis widerspiegeln.
BWagrar: Sind Sie mit den Ergebnissen der Veranstaltungen auf der digitalen Grünen Woche zufrieden?
Rukwied: Die Grüne Woche ist das agrarpolitische Highlight zu Beginn eines Jahres. Wir erreichen mit unseren Themen bis zu 400.000 Besucher auf der Messe. Aber die Gesundheit geht vor und es war deshalb richtig, dass die Grüne Woche nicht als Präsenzveranstaltung stattgefunden hat.
Wir haben die virtuellen Plattformen genutzt um zu zeigen, wie wir hochwertige Lebensmittel erzeugen. Aber man muss Lebensmittel auch fühlen, schmecken und genießen können. Das geht virtuell natürlich nicht.
Dennoch sind wir sehr zufrieden mit der Teilnahme an unserem digitalen Angebot. Den agrarpolitischen Jahresauftakt mit den Spitzen der Bundestagsfraktionen haben tausende Zuschauer verfolgt.
Die persönliche Kontakte und Gespräche ersetzt dieses Angebot allerdings nicht. Ich hoffe, dass wir im kommenden Jahr wieder einen richtige Grüne Woche veranstalten können und die Coronapandemie im Griff haben.
BWagrar: Welche Maßnahmen stehen in den nächsten Monaten ganz vorne auf der Agenda der Agrarpolitik?
Rukwied: Der Trilog zur Gemeinsamen Agrarpolitik zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament muss endlich abgeschlossen werden. Dann muss zügig national umgesetzt werden.
„Die Landwirte erwarten nach drei Jahren Verhandlungen für ihre betriebliche Perspektive Klarheit und Planungssicherheit.“
Die Landwirte erwarten jetzt nach über drei Jahren Verhandlungen für ihre betriebliche Perspektive Klarheit und Planungssicherheit. Im Ergebnis muss die künftige Förderung EU-weit vergleichbare Mindestanforderungen im europäischen Binnenmarkt sicherstellen. Es darf keine nationalen Alleingänge geben!
Beim geplanten Insektenschutzgesetz muss die Bundesregierung deutlich nachbessern. Das Biodiversitätsstärkungsgesetz in Baden-Württemberg oder der Niedersächsische Weg können Vorbildcharakter haben. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, anstelle von Verboten auf ein Anreizsystem und kooperativen Naturschutz zu setzen.