Rukwied: Ausnahmeregelung für die Landwirtschaft ist eine Mogelpackung
Baden-württembergische Familienbetriebe durch Mindestlohn in Existenz bedroht
An diesem Donnerstag entscheidet der Bundestag über die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns. „Die geplante Ausnahmeregelung beim Mindestlohn für die Landwirtschaft ist eine Mogelpackung der Politik“, erklärt Joachim Rukwied, Präsident des Landesbauernverbandes (LBV). „Tatsache ist, dass unsere Betriebe ab kommendem Jahr 8,50 Euro pro Stunde bezahlen müssen. Das gefährdet die familiengetragenen Sonderkulturbetriebe mit Gemüse, Obst und Wein im Land.“ Die angedachte Verrechnung mit Kost und Logis auf den Mindestlohn reduziere die Lohnkosten nicht, sondern bedeute lediglich eine bürokratische Erleichterung.
„Passiert das Mindestlohn-Gesetz den Bundestag ohne echte Ausnahmen für Saisonarbeitskräfte, ist der Anbau arbeitsintensiver Sonderkulturen in Baden-Württemberg ernsthaft gefährdet“, sagt Rukwied. „Die Lohnkosten bilden bei diesen Betrieben mit bis zu 60 Prozent den mit Abstand höchsten Anteil der gesamten Produktionskosten. Mit einem Mindestlohn erhöhen sich die Kosten massiv.“
Langfristig befürchtet Rukwied die Verlagerung der Produktion in andere Bundesländer oder ins Ausland. „Das ist ein harter Schlag für das Sonderkulturland Baden-Württemberg“, erklärt der LBV-Präsident. Dies verändere nicht nur die traditionelle und vielseitige Kulturlandschaft im Land, sondern träfe ganze bäuerliche Familien in ihrer Wirtschaftlichkeit.
Rund 50.000 osteuropäische Saisonarbeitskräfte unterstützen jährlich die baden-württembergische Landwirtschaft bei der Pflege und Ernte von Sonderkulturen. „Mit dem geplanten Mindestlohngesetz sind nicht nur die kleinen Familienbetriebe im Land in ihrer Existenz gefährdet. Es vernichtet gezielt Arbeitsplätze von Saisonarbeitskräften und in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen“, ist sich Rukwied sicher.
Die Landwirtschaft hat sich vergangenes Jahr mit allen Tarifparteien auf eine sinnvolle und betriebsverträgliche Steigerung des Stundenlohns auf 8,50 Euro bis Dezember 2017 verständigt. „Es ist vollkommen unverständlich, dass die Politik diese Anstrengungen einer ganzen Branche ignoriert und sich ohne wenn und aber gegen die Landwirtschaft stellt“, sagt der LBV-Präsident. Eine Sonderregelung wie bei den Zeitungsverlegern wäre möglich gewesen und hätte unseren Betrieben Erleichterung bei der Einführung des Mindestlohns gebracht.“
Der Sonderkulturbereich steht schon heute unter massivem Wettbewerbsdruck aus dem europäischen Ausland. Tatsächliche Kosten können meist nicht an den Handel weitergegeben werden. Mit Mindeststundenlöhnen von 1,14 Euro (Rumänien), 2,31 Euro (Polen) oder 3,91 Euro (Spanien) liegen die Produktionskosten dort deutlich unter denjenigen in Deutschland. Im Wettbewerb zu den ausländischen Produzenten haben gerade kleinstrukturierte Betriebe, die typisch für baden-württembergische Landwirtschaft sind, keine Chance zu bestehen.
Hintergrund:
Regionale Tarife in der Landwirtschaft, die frühzeitig durch das Mindestlohn-Gesetz abgelöst werden: Nach schwierigen Tarifverhandlungen haben sich der Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V. (GLFA) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) im Januar 2013 auf eine Bundesempfehlung Landwirtschaft für alle Tarifbezirke in Deutschland verständigt. Diese wurde im April 2013 in Baden-Württemberg umgesetzt. Danach beträgt der Bruttostundenlohn ab Juli 2013 7,00 Euro und steigt jährlich um 30 Cent auf schließlich 8,50 Euro ab Dezember 2017. Die Arbeitgeberverbände haben dieser deutlichen und für viele Betriebe schwierigen Lohnerhöhung vor dem Hintergrund der zu erwartenden gesetzlichen Regelung nach der Bundestagswahl in Richtung Mindestlohn bzw. Lohnuntergrenze zugestimmt.
Autor: LBV