Pressemitteilung
Ertragsspanne zwischen einzelnen Regionen groß
Hohe Temperaturen und Trockenheit schaden Herbstkulturen
Die Getreide- und Rapsernte ist in weiten Teilen des Landes abgeschlossen. „Die Ertragsspanne zwischen den einzelnen Regionen ist sehr groß. Im Norden Baden-Württembergs mussten die Landwirte teils erhebliche Ertragseinbußen hinnehmen“, erklärt Joachim Rukwied, Präsident des Landesbauernverbandes (LBV) auf der Ernte-Pressekonferenz am 18. August 2022 auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Michael Gehrung in Stuttgart-Plieningen. „Die Regionen südlich von Stuttgart haben dagegen eine gute Ernte eingefahren. In Summe gehen wir von einer leicht überdurchschnittlichen Getreide- und Rapsernte aus.“
Die Witterungs- und Anbaubedingungen im Herbst, Winter und Frühjahr waren in den meisten Regionen zufriedenstellend. Wintergetreide und Raps kamen ordentlich durch das Frühjahr. Von Extremwetterereignissen wie Starkregen oder Hagel blieb die Landwirtschaft in diesem Jahr weitestgehend verschont. „Entscheidend für das Ernteergebnis waren in diesem Jahr Zeitpunkt und Umfang der Niederschläge sowie die Bodenqualität. Anders als im Norden Baden-Württembergs und weiten Teilen Deutschlands haben in der Mitte und im Süden des Landes wiederholende Niederschläge zu insgesamt guten Ernteergebnissen geführt“, erklärt Bauernpräsident Rukwied. In Summe sei die Ernte leicht überdurchschnittlich im Vergleich zum langjährigen Mittel.
Herbstkulturen leiden unter massiver Trockenheit
Große Sorgen bereiten die späten Kulturen wie Mais, Zuckerrüben, Kartoffeln und Soja. „Die Herbstkulturen leiden massiv unter Wassermangel und Hitzestress. Davon sind vor allem die nördlichen Landesteile betroffen. Grünland und Mais sind zum Teil vertrocknet, Tierhalter füttern teilweise schon Winterfutter zu“, zeigt Rukwied auf. „Wenn zeitnah keine ergiebigen Niederschläge kommen, rechnen wir hier bei fast allen Kulturen mit erheblichen Ernteeinbußen von bis zu 50 Prozent.“
Erzeugerpreise decken gestiegene Produktionskosten kaum
Die Auswirkungen des Ukrainekrieges schlagen auch in der Landwirtschaft voll durch. „Die gestiegenen Kosten bei Energie, Futter, Dünger und Pflanzenschutzmittel belasten unsere Familienbetriebe schwer“, sagt der Bauernpräsident. „Die Erzeugerpreise müssen stabil bleiben und in der Tendenz steigen. Bei den Landwirten muss mehr ankommen. Zudem greifen Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund der hohen Inflation vermehrt zu günstigeren Erzeugnissen, beispielsweise aus Südeuropa oder aus Drittländern.“ Die regionale baden-württembergische Ware bliebe liegen. Die Direktvermarkter verzeichneten ebenfalls rückläufige Verkaufszahlen.
Schweinehaltung weiterhin in der Krise
Die Krise am Schweinemarkt hält an und hat sich durch die gestiegenen Produktionskosten weiter verschärft. Die Schweinehalter, insbesondere die Ferkelzüchter im Land, schreiben tiefrote Zahlen. „Die Schweinehalter in Baden-Württemberg stehen mit dem Rücken zur Wand, die Frustration ist hoch. Zukunftsperspektiven sind schwer erkennbar“, erklärt der LBV-Präsident. „Der Strukturbruch der vergangenen Jahre geht unvermindert weiter. Ein einst starker und traditioneller Betriebszweig steht vor dem Aus. Unsere Tierhalterinnen und Tierhalter brauchen ein klares Bekenntnis aller Marktbeteiligten in der Kette zur regionalen Erzeugung und schnelle politische Entscheidungen, die Zukunftsperspektiven erkennen lassen.“
Mindestlohnerhöhung verschärft Lage weiter
Ab Oktober steigt der Mindestlohn auf zwölf Euro. „Diese Erhöhung verschärft den bereits bestehenden Wettbewerbsdruck bei unseren Sonderkulturbetrieben und gefährdet die Zukunftsfähigkeit unserer Familienbetriebe. Außerdem verdrängt der Mindestlohn vor allem den Obst- und Gemüseanbau in europäische Regionen mit niedrigeren Löhnen und Sozialstandards“, sagt Rukwied. Beispielsweise seien die Erdbeeranbauflächen im Land seit der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 um22 Prozent zurückgegangen. Ein derartiges Szenario befürchtet Rukwied auch bei weiteren Kulturen. Die Spargelbauern hätten ihre Anbauflächen ebenfalls reduziert.
Hintergrund:
Ernteergebnisse 2022:
- Winterweizen: Ertrag 75 dt/ha (2021: 66,8 dt/ha), +12 Prozent über dem Vorjahresergebnis;+1 Prozent über dem langjährigen Mittel.
- Wintergerste: Ertrag 74 dt/ha (2021: 70,9 dt/ha), +4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr;+7 Prozent über dem langjährigen Mittel.
- Sommergerste: Ertrag 57 dt/ha (2021: 52,7 dt/ha). +9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr;+3 Prozent im Vergleich zum langjährigen Mittel.
- Wintertriticale: Ertrag 69 dt/ha (2021: 60,8 dt/ha). +14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr;+6 Prozent im Vergleich zum langjährigen Mittel.
- Raps: Ertrag 41 dt/ha (2021: 35,9 dt/ha), +14 Prozent über dem Vorjahr; +5 Prozent über dem langjährigen Mittel.
Eine Dezitonne (dt) entspricht 100 Kilogramm. Das langjährige Mittel ist der Durchschnitt der vergangenen sechs Ernten (2016 bis 2021).
Anbauflächen in Baden-Württemberg: Mit einer Fläche von 213.700 Hektar ist der Winterweizen weiterhin die Hauptkultur in Baden-Württemberg, gefolgt von Winter- (82.000 Hektar) und Sommergerste (61.100 Hektar). Der Anbau von Triticale lag bei 21.900 Hektar und Hafer bei 17.400 Hektar. Körnermais ging leicht auf 56.000 Hektar zurück. Der Winterrapsanbau stieg auf 47.300 Hektar, Pflanzen zur Grünernte gingen leicht zurück auf 191.600 Hektar, darunter Silomais mit 126.300 Hektar.
Betrieb Michael Gehrung: Landwirt Michael Gehrung bewirtschaftet mit seiner Familie einen Nebenerwerbsbetrieb in Stuttgart-Plieningen. Gehrung baut Winterweizen, Sommergeste, Hafer, Körnermais, Filderlinsen und -kraut an. Zudem bewirtschaftet der Landmaschinenmechaniker Grünland mit Streuobstbeständen. Auf zwei Hofstellen vermarktet die Familie Heu, Stroh, Getreide, Kartoffeln, Apfelsaft, Zwiebeln, Marmelade, Eier, Filderlinsen, Honig, Sauerkonserven, Streuobstwiesenobstler etc. und saisonal Filderkraut und Kürbisse. Neben einer Festscheune für Familien- und Firmenfeiern bietet Gehrung landwirtschaftliche Lohnarbeiten an.
Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg e. V. (LBV) vertritt rund 33.000 Landwirte aus Baden-Württemberg. 20 selbstständige Kreisbauernverbände nehmen auf regionaler Ebene die Interessen des bäuerlichen Berufsstandes wahr. Insgesamt ist jeder zehnte Arbeitnehmer in Baden-Württemberg direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig.
Aktuelle Fotos finden Sie im Internet unter www.lbv-bw.de/Presse/Pressefotos
Autor: LBV