Bauerntag Freudenstadt
Spielball von Weltmarkt und Politik
Neben der kritischen wirtschaftlichen Lage auf den Höfen bewegen vor allem die Verunglimpfungen der Bauern in der Öffentlichkeit den Kreisvorsitzenden Gerhard Fassnacht. So etwa die beschämenden Aussagen von Erzbischof Dr. Heiner Koch zu vermeintlich katastrophalen Zuständen in Tierfabriken, einem Missbrauch der Tiere als Ware und einem modernen Sklaventum durch die Beschäftigung von Billiglohn-Arbeitern. „Solche Unverschämtheiten sind nicht zu überbieten“, wetterte Fassnacht beim Bauerntag in Oberiflingen und ließ auch an der inzwischen gestoppten Bauernregel-Kampagne von Bundesumweltministerin Hendricks kein gutes Haar.
Dieser psychische Druck seitens der Gesellschaft belaste die Bauern zusätzlich, zumal die meisten Betriebe wegen der desolaten Preissituation einem massiven Liquiditätsverlust ausgesetzt sind. Seit 1950 seien die Löhne um das 23-fache gestiegen, der Brotpreis um das elffache und die Getreidepreise hingegen fast unverändert geblieben. Das führe dazu, dass nur noch 22 Cent von einem für Nahrungsmittel ausgegebenen Euro beim Landwirt ankomme.
Der in den traditionellen Vermarktunsgketten von Erzeugergemeinschaften und angeschlossenen Genossenschaften ursprünglich verankerte Gedanken „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist für Fassnacht gescheitert und der Landwirt zum „Resteverwerter“ degradiert worden. Bei gentechnikfreier Milch zeige sich das beispielhaft: Obwohl die Zukauffuttermittel um etwa 25 Prozent teurer seien, betrage der Aufschlag lediglich 3,3 Prozent, bilanzierte Fassnacht. Genauso beschämend sei es, wenn der Lebensmittelhandel von Verantwortung spreche, gleichzeitig aber seine Eigenmarken um ein Drittel des Geldes in die Regale neben den Markenprodukten platziere. Und wenn dieser Handel von Regionalität spreche und damit Waren aus mehreren Bundesländern darunter verstehe sei das in seinen Augen geradezu verantwortungslos. Dabei sei eine stärker regional orientierte Vermarktung bei entsprechenden Rahmenbedingungen keine Utopie, wie das Beispiel Vorarlberg zeige. Dort habe im vergangen Jahr der niedrigste Milchpreis 31 Cent betragen, obwohl das Land auch Bestandteil der Eu und des Weltmarktes sei, sagte Fassnacht.
Global und regional stark
Imagekampagnen wie die Radiospots „Heimische Landwirtschaft“ können zur Pflege regionaler Märkte einen Beitrag leisten, vom internationalen Marktgeschehen auskoppeln könne man sich aber nicht, erklärte BayWa-Vorstandsmitglied Roland Schuler als Gastredner beim Bauerntag. Um auf der Bühne des Weltmarktes mitzuspielen, ist die BayWa durch strategische Übernahmen insbesondere in den vergangenen fünf Jahren stark gewachsen und zählt mit über 3000 Standorten in 34 Ländern und mit über 290 Tochtergesellschaften zu den führenden Handels- und Dienstleistungsunternehmen. „1990 wurde eine Tonne Mais etwa 4,5 mal gehandelt, heute sind es 11,5 mal“, machte Schuler die Dynamik und Spekulativität des Marktgeschehens deutlich.
Nur diese Internationalität ermögliche es der BayWa, trotz Strukturwandel in der Landwirtschaft auch weiterhin in der Fläche als Partner vor Ort sein und in starke Standorte zu investieren. Über 300 Niederlassungen und 200 Werkstätten in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen dokumentierten dies. Gleichwohl baue die BayWa neben der physischen „analogen“ Präsenz ihre digitalen Angebote weiter aus, etwa in Form von Service- und Beratungszentren, im Online-Geschäft oder durch Dienstleistungen rund um Precision Farming. Mit dem Geschäftsfeld FarmFacts habe man ein Cloud-basiertes Managementsystem installiert, das dabei helfe, Betriebsmittel wie Dünger und Pflanzenschutz hoch effizient und umweltschonend einzusetzen. „Das wird Sie unterstützen, die Anforderungen von Ökonomie und Ökologie samt Qualitätssicherung und Dokumentation einfacher zu erfüllen“, erklärte Schuler.
Verbündete vor Ort
Bestmögliche Unterstützung vor Ort versprach Landrat Dr. Klaus-Michael Rückert den Landwirten im Kreis Freudenstadt. Er kritisierte scharf die Softwareprobleme bei der Antragsbearbeitung, die zu Verzögerungen bei den Auszahlungen geführt haben. Durch einen Kraftakt sei es dennoch gelungen, rund 90 Prozent der Gelder anzuweisen. Rückert warb auch für den mit dem Landschaftserhaltungsverband im Kreis angestoßenen Grünlandwettbewerb. Hier sollten sich möglichst viele Betriebe in den Kategorien „intensives Grünland“ und „extensives Grünland“ bewerben.
Landfrauenvorsitzende Katharina Schmelzle zeichnete ein lebhaftes Bild von den Aktivitäten im Kreisverband. So konnten rund 50 Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßt werden. Thematisch spannte sich der Bogen von Vorträgen über soziale Medien bis hin zur Vorsorge fürFamilie und Betrieb. Außerdem wurden diverse Lehrfahrten durchgeführt.
Für den Agrargesprächskreis brachte Felix Schwenk in Gedichtform seinen Unmut über die Bauernregeln des Bundesumweltministeriums zum Ausdruck. Außerdem kritisierte er, dass die Betriebe trotz der zugesagten Liquiditätshilfen aus Bundesmittel nach wie vor mit leeren Händen darstehen und noch ein Euro geflossen sei.
In einem Grußwort bekräftigte der CDU-Landtagsabgeordnete Norbert Beck die Forderung seiner Fraktion nach einer steuerfreien Risikorücklagenbildung und sprach sich gegen Fotovoltaikanlagen auf Freiflächen aus.
Autor: nb