LBV-Unternehmertag
Die Digitalisierung ändert alles
Auf dem Weg zur Arbeit die Lebensmittel per Smartphone bestellen und am Abend stehen sie im gekühlten Briefkasten? Zukunftsmusik? Nicht mehr ganz, sagt Björn Weber vom Marktforschungsinstiut LZ Retailytics. Er und seine Kollegen nehmen seit einigen Jahren den Online-Anbieter Amazon gezielt unter die Lupe und stellen fest: Amazon baut die Lebensmittelbranche um und gleichzeitig wird sich das Kundenverhalten ändern.
„Amazon ist heute die erste Anlaufstelle für viele Verbraucher“
„Amazon ist heute die erste Anlaufstelle für viele Verbraucher“, sagt Weber. So gut wie jedes Produkt findet sich auf dem Portal des Onlineanbieters. Das führe zur Kundenbindung durch „endlose Regale“. Längst sind bei Amazon frische Lebensmittel gelistet und sogar regionale Produkte werden geliefert. „Amazon macht das sehr geschickt und bindet von Anfang an regionale Erzeuger ein“, so Weber. Ein großer Vorteil des digitalen Warenhauses auch, dass sich Kunden bei Amazon in sekundenschnelle sämtliche Produkte nach Eigenschaften filtern können, wie beispielsweise vegan, glutenfrei und ökologisch erzeugt. „Das kann ein analoger Händler nur schwer in seinen Regalen einsortieren“, stellt Weber fest. Zudem garantiert der Online-Riese – zumindest in Großstädten – die Lieferung am Bestelltag. Dass die Kunden das Geschäftsmodell von Amazon wollen, beweise die Tatsache, dass der Internetriese mit Amazon-Prime längst zahlende Abonnenten statt Treuepunkte-Sammler hat.
Nicht den Kopf in den Sand stecken
Amazon hat es laut Weber derzeit zwar noch schwer mit Lebensmitteln und wachse nur langsam. Dennoch ist beispielsweise Amazon Fresh längst in Deutschland angekommen. Der deutsche Lebensmittelhandel dürfe nun nicht den Kopf in den Sand stecken. Zwar führen deutsche Unternehmen derzeit die Umsatzliste in Europa an, betrachte man jedoch den deutschen LEH im Online-Handel sei unter den Top-Ten keiner davon zu finden. „Anstatt auf die Preise bei den Discountern zu starren, sollte der LEH lieber Kunden puschen, die bereit sind für guten Service zu bezahlen.“, sagt Weber. Zudem rät er dringend dazu, neue Logistik-Partner zu finden und hier Service zu bieten. Auch Kooperationen mit der Industrie oder sogar Wettbewerbern könnten neue Impulse setzen um bei der Entwicklung Schritt zu halten.
Digitalisierung im Agrarhandel
Auf Digitalisierung setzt auch die BayWa AG. Soweit möglich zumindest. „Zuerst brauchen wir die digitale Infrastruktur“, merkt Prof. Klaus Josef Lutz, Vorstandsvorsitzender der BayWa AG an. Anders sei den neuen Herausforderungen einer wachsenden Weltbevölkerung und dem einhergehenden steigenden Fleischkonsum nicht Herr zu werden. „Es ist eine Vorstufe der Digitalisierung, dass Landwirte heute mehr Menschen ernähren, als noch vor wenigen Jahren“, so Prof. Lutz. Nicht nur der effektive Betriebsmitteleinsatz sondern auch der Entwicklung moderner Technik sei diese steigende Produktivität zu verdanken.
„Landwirtschaft ist gleich Digitalisierung“ so Prof. Lutz. Damit ändere sich auch der Landhandel und wird zum digitalen Service-Provider. Die BayWa streckt daher ihre Fühler derzeit in zahlreichen Projekten aus. So habe das Unternehmen sich jüngst an einer Firma beteiligt, die Roboter als Arbeitskräfte entwickelt. Ein anderes interessantes Projekt sei ein Start-Up, dass ein Sensor entwickelt hat, der von Geburt an im Magen der Kuh bleibt und permanent Daten sendet um die Gesundheit zu überwachen. „Wir mischen in vielen Branchen mit“, sagt Prof. Lutz über die Zukunft der BayWa. Der Landhandel will so für die digitale Zukunft bereitstehen.
"Die Digitalisierung ändert alles"
Dass die Digitalisierung alles verändert unterschreibt auch Ulrich Wagner, geschäftsführender Gesellschafter der Wimex-Gruppe, einem Unternehmensverband der Land- und Ernährungswirtschaft. Wo einst Rohstoffhändler die reichsten Unternehmen gewesen sind, seien es heute die Daten-Unternehmen, sagt Wagner. Diese Transformation erwartet er auch für die Landwirtschaft. Um die Datenmengen, die künftig kommen und bereits heute erfasst werden vernünftig zu erfassen, setzt er auf Cloudlösungen. „Das Ökosystem Cloud ist die Vernetzung aller Technologien die wir haben“, so Wagner.
Wettlauf um Kunden und Zeit kostet Geld
Wer es schafft all diese Informationen, die laufend gesammelt werden, einer bestimmten Nutzergruppe zugänglich zu machen, der kann damit auch Geld verdienen, ist Wagner überzeugt. Für den Mehrwert einer firmenübergreifenden Vernetzung und den dazugehörenden Service würden Kunden nämlich bezahlen. Der Wettlauf und die Kunden und um die Zeit sei hier längst entbrannt.
Gleichzeitig warnt Wagner davor, dass zum Beispiel Wissen und Knowhow der Landwirtschaft unkontrolliert an Datenplattformen zu liefern. Das diene dann möglicherweise Dritten für Geschäftsmodelle, an denen die Landwirte nicht beteiligt werden. Er setzt darauf, dass das Agribuisness eigene Modelle entwickelt. Dabei sei die Vernetzung und Verbündung das Gebot der Stunde. Nur so könnten Mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung Schritt halten.
Autor: Silvia Rueß