Grüne Woche 2017

Politik für Milchbauern: praxisnah oder realitätsfern?


Wie nah ist die Politik an der milchbäuerlichen Praxis oder wie weit ist sie entfernt? Beim Fachforum Milch des Deutschen Bauernverbands (DBV) werden die aktuellen Themen Milchmarkt- und Strukturpolitik, Lieferbeziehungen zwischen Molkereien und Erzeugern sowie Umwelt und Tierschutzstandards diskutiert.


Beim jährlich stattfindenden Fachforum Milch des DBV diskutierten auf der Grünen Woche (v. l.): Joachim Rukwied, Jan Heusmann, Karsten Schmal, Peter Lüschow, Albert Deß, Peter Hettlich, Klaus Fontaine und Günter Felßner. Später kamen noch Dr. Wilhelm Priesmeier und Alois Gerig hinzu.

„Als landwirtschaftliche Unternehmer müssen wir uns regelmäßig die Frage stellen,  ob wir mittel- oder langfristig auf unseren Höfen erfolgreich aufgestellt sind“, mit diesem Appell begrüßte der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Joachim Rukwied, zum Milchforum auf der Grünen Woche. Die strukturellen Herausforderungen müssen konsequent angegangen werden. Positiv trägt dazu bei, dass die kontroversen Diskussionen der vergangenen Jahre mittlerweile Dialog geprägt sind. Pflicht der Politik sei es Rahmenbedingungen zu setzen und den Milchmarkt zu begleiten. Kritisch geprüft werden muss laut Rukwied die mit öffentlichen Mitteln unterstützte Einlagerung von Milchprodukten. Um den Milchmarkt weiter zu stabilisieren ist es außerdem erforderlich, die Öffnung von Drittlandsmärkten voranzutreiben. „Höhere Produktionsstandards, ob vom Gesetzgeber oder unseren Marktpartnern gesetzt, müssen immer so gestaltet sein, dass sie effektiv, sachgerecht, für die Landwirte praktikabel und vor allem auch wirtschaftlich darstellbar sind“, forderte der DBV-Präsident in Hinblick auf die Weiterentwicklung von Tierschutz- und Umweltschutzstandards.

Milchmarkt: Alte Politik in neuem Gewand?

In der ersten Diskussionsrunde zum Milchmarkt „Alte Politik in neuem Gewand?“ kamen der Vizepräsident des Bauernverbands Schleswig-Holstein, Peter Lüschow, und Albert Deß, Mitglied des Europaparlaments, zu Wort. Lüschow hatte kürzlich 15 unangenehme Fragen an Molkereien formuliert, von denen er zwei als für ihn besonders interessant herausstellte: Ist meine Genossenschaft so gesund und stark, um das Gespräch mit dem Lebensmitteleinzelhandel auf Augenhöhe zu führen? Zudem fragt sich der Vizepräsident, ob Genossenschaften auch untereinander kommunizieren. Antworten auf die Fragen stehen noch aus. Deß stellt zunächst klar, dass es bei der Infragestellung der Tierhaltung um eine von NGOs aufgedrückte Diskussion handelt. Wie Tiere gehalten werden sollen, muss die Entscheidung des Gesetzgebers sein. Vorgaben dürfen nicht vom Lebensmitteleinzelhandel oder anderen Dritten kommen. Der agrarpolitische Sprecher der EVP-Fraktion stellt zudem klar, dass die Politik ein neues System benötigt, dass das Interventionspreissystem ablöst. Für ihn denkbar, wäre ein Instrument, welches im äußersten Krisenfall zum Greifen kommt. So kann er sich vorstellen, dass die Politik festlegen kann, die Milchmenge für eine vorgegebene Zeitdauer um einen bestimmten Prozentsatz zu reduzieren. Dieser Idee widersprach Lüschow: „Wir wollen so ein Instrument nicht, welches uns die Produktionsmenge vorschreibt.“

Lieferbeziehungen im Wandel: Vielfalt in Sicht?

Dr. Wilhelm Priesmeier, Agrarpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und Jan Heusmann, Fachausschussvorsitzender Milch des Landvolks Niedersachsen, diskutieren das Thema „Lieferbeziehungen im Wandel: Vielfalt in Sicht?“ Für Priesmeier ist die Position der Landwirte in der Lieferbeziehung entscheidend. Allerdings muss er auch feststellen, dass es kaum Unterschiede bei den Vermarktungswegen gibt: Milch ist nicht lagerfähig und muss daher schnell gehandelt werden. Der Politiker setzt sich deshalb für aus seiner Sicht tragfähige Marktsysteme ein. Er kann sich vorstellen, dass jeder Landwirt mit seiner Molkerei, egal ob  Genossenschaft oder privates Unternehmen, einen Vertrag aushandelt, der Menge, Preis und Zeitspanne regelt und garantiert. Eine schnell umsetzbare Änderungsmöglichkeit sieht Priesmeier darin, dass man Landwirten zugesteht über den Vermarktungsweg eines bestimmten Anteils der Milchmenge selbst zu bestimmen. Er geht davon aus, dass damit Kündigungen seitens dem Erzeuger vermieden werden könnten. Ohne Begleitung durch die Politik mit Hilfe von §148 der Marktordnung sei dies allerdings nicht realisierbar. „Landwirte sind die Eigentümer der Genossenschaften“, stellt Heusmann klar und fordert die Einflussnahme durch die Gremien der Molkereien stärker zu nutzen. Die Verantwortlichkeiten zur Entwicklung müssen weiterhin in der gemeinsamen Hand von Genossenschaft und Landwirt bleiben. Auch wenn die Diskussion um die Zukunft der Genossenschaften in jüngster Zeit viel Fahrt aufgenommen hat, werden sich unterschiedliche Modelle entwickeln, die sich an die Bedürfnisse der einzelnen Unternehmen anpassen. Heusmann widerspricht den Preismodellen Priesmeiers, da diese nicht für alle Unternehmen möglich sind. Die Vermarktungswege und Produktpaletten unterscheiden sich bekanntlich. „Die Landschaft wird bunter. Vielfältige Modelle werden sich entwickeln und sich für jeden Betrieb anders darstellen“, stellt der Ausschutzvorsitzende nochmals klar und begründet das mit unterschiedlicher Investitionsbereitschaft als auch –verhalten und sich heterogen entwickelnden Märkten. Nicht die Lieferbeziehungen seien entscheidend, sondern das was daraus gemacht wird.

Milchviehhaltung: Umwelt- und Tierschutzstandards zum Nulltarif?

Zum Thema „Milchviehhaltung: Umwelt- und Tierschutzstandards zum Nulltarif?“ nehmen Peter Hettlich, Abteilungsleiter im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, als auch der Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbands, Günther Felßner, Stellung. „Es wird Geld verdient mit Umwelt- und Naturschutz – aber nicht durch die Landwirtschaft. NGOs greifen die Gelder ab“, so Felßner. Beim vom Tierschutzbund und Discountern vorgestellten Label werden Standards erhöht, ohne für eine Bezahlung zu sorgen. Felßner fordert einen fairen Wettbewerb nicht zum „Nulltarif“. Deutschland ist das Land mit den höchsten Auflagen zu den niedrigsten Preisen in ganz Europa. Das müsse ein Ende haben, so der Verbandsvertreter. Mit Blick auf das Tierwohllabel rät er Erzeugern nicht gegen den Lebensmitteleinzelhandel zu kämpfen, sondern in eine für beide Seiten gerechte Beziehung zu treten. Dazu sei ein ehrlicher Dialog wichtig – in dem jeweils eine Stimme zum Sprechen kommen darf. Dazu müsse dann bei beiden Gesprächspartnern Einigkeit untereinander (in der Branche) herrschen.  Auch Hettlich stellt klar, dass es einen Mehrwert zum Nulltarif nicht geben darf: „Wir haben eine starke und stabile Landwirtschaft, wenn Tierschutz- und Umweltstandards als Basis dienen. Diese Standards müssen das Vertrauen der Verbraucher haben, durch politische Rahmenbedingungen unterstützt und mit einem einheitlichen Kennzeichen versehen werden.“

Strukturpolitik: Was brauchen Milchbauern?

Alois Gerig, Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, und Klaus Fontaine, Präsident des Bauernverbands Saar, stellen sich abschließend der Frage „Strukturpolitik: Was brauchen Milchbauern?“ Die Anforderungen an die Politik seien zu hoch, erklärt Gerig, denn sie kann keine Strukturen machen. Auf der anderen Seite dürfe man „einfach so“ aber nicht weiter machen. Für Gerig steht daher das Ringen um den besten Kompromiss im Vordergrund. Da der Abgeordnete kein Freund von Ordnungspolitik ist, fordert er die Betriebe zum Handeln auf. Die einzelnen Markpartner müssen selbst Ideen entwickeln. Er hat auch klare Vorstellungen über die Chancen der Milchviehhalter in den nächsten fünf Jahren: Es muss am Kurs der Marktorientierung festgehalten werden. Einige Spielregeln sind dabei hilfreich:

  • Wo andere besser sind, daraus lernen.
  • Darauf achten, wo Gelder effektiv eingesetzt werden.
  • Konkurrenz hat sich am internationalen Markt besser positioniert.
  • Mit Molkereien zusammen Konzepte entwickeln, bevor die Politik einschreitet und diese Aufgabe übernimmt.
  • Standards müssen für Erzeuger umsetzbar sein.
  • Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif.

Auch Bauernpräsident Fontaine fordert wettbewerbsfähige Produktionsbedingungen. Er gibt aber auch zu bedenken, dass Genossenschaften bei der Umstellung Zeit benötigen. „Genossenschaften brauchen Zeit um sich nach 35 Jahren umzustellen. Dazu benötigen sie auch die richtigen Rahmenbedingungen“, so Fontaine weiter und spricht sich damit für die Beibehaltung der 1. und 2. Säule aus. Vor allem die Ausgleichszulage ist wichtiger und moderner denn je. Es dürfe jedoch keine neuen Standards und weitere Auflagen geben. Die Fundamentalpolitik darf nicht auf den Betrieben ausgetragen werden.



Autor: Fischer



 

Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben?
Melden Sie sich jetzt für den BWagrar-Newsletter an und bleiben Sie infomiert.

zur Newsletteranmeldung

Aktuelles

Festakt in Bad Waldsee
75 Jahre Bauernschule Bad Waldsee
Die Bauernschule in Bad Waldsee feierte in einem stimmungsvollen Festakt voller Geschichte, Zukunft und gelebter Gemeinschaft ihr 75-jähriges Bestehen. Der Landesbauernverband gratuliert!

Erfolg für den Berufsstand
Stoffstrombilanz ist Geschichte
Der Bauernverband hat sich jahrelang für eine Abschaffung der Stoffstrombilanzverordnung eingesetzt – mit Erfolg! Hier erfahren Sie mehr zu Aufhebung der Stoffstrombilanzverordnung.

Landwirtschaft im Mittelpunkt
Bauernkundgebung auf der Ipfmesse Bopfingen 2025
Für die diesjährige Bauernkundgebung anlässlich der Ipfmesse in Bopfingen konnte der Bauernverband Ostalb-Heidenheim Karsten Schmal, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, gewinnen. Dieser...

Jetzt mitmachen!
COPA-Petition zur GAP unterzeichnen
Mit der Petition "No Security without CAP"soll ein starkes Signal für Versorgungssicherheit und die Zukunft der europäischen Landwirtschaft gesetzt werden. Die Botschaft an Brüssel lautet:...

Jetzt im Archiv
Mit VIDEO: Digitale Fachtagung "Achtung, Vertragsfalle! Windenergieanlagen und Freiflächen-Photovoltaik auf dem Acker"
Am 1. Juli 2025 veranstaltete der LBV eine digitale Fachtagung zum Thema " Achtung, Vertragsfalle! Windenergieanlagen und Freiflächen-Photovoltaik auf dem Acker". Hier finden Sie die...

Jetzt verfügbar!
LBV-Schätzrahmen 2025
Die 21. Auflage des Schätzrahmens ist fertiggestellt und ab sofort verfügbar.

Jetzt profitieren
Stromsteuerentlastung: Jetzt ab 12.500 kWh lohnenswert
Landwirte profitieren von höherer Rückerstattung – Unterstützung durch den Landesbauernverband

Schweinehaltung
Klima-Schnellcheck für Schweinehalter gestartet
Wo steht mein Betrieb in Sachen Nachhaltigkeit? Wie könnte ich besser werden? Diese Fragen können sich Schweinehalter in Süddeutschland ab sofort einfach und schnell beantworten lassen mit dem...

Weitere News
Weitere aktuelle Themen rund um die Landwirtschaft.

Alle Meldungen

Festakt in Bad Waldsee
75 Jahre Bauernschule Bad Waldsee
Die Bauernschule in Bad Waldsee feierte in einem stimmungsvollen Festakt voller Geschichte, Zukunft und gelebter Gemeinschaft ihr 75-jähriges Bestehen. Der Landesbauernverband gratuliert!

Erfolg für den Berufsstand
Stoffstrombilanz ist Geschichte
Der Bauernverband hat sich jahrelang für eine Abschaffung der Stoffstrombilanzverordnung eingesetzt – mit Erfolg! Hier erfahren Sie mehr zu Aufhebung der Stoffstrombilanzverordnung.

Landwirtschaft im Mittelpunkt
Bauernkundgebung auf der Ipfmesse Bopfingen 2025
Für die diesjährige Bauernkundgebung anlässlich der Ipfmesse in Bopfingen konnte der Bauernverband Ostalb-Heidenheim Karsten Schmal, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, gewinnen. Dieser...

Jetzt mitmachen!
COPA-Petition zur GAP unterzeichnen
Mit der Petition "No Security without CAP"soll ein starkes Signal für Versorgungssicherheit und die Zukunft der europäischen Landwirtschaft gesetzt werden. Die Botschaft an Brüssel lautet:...

Jetzt im Archiv
Mit VIDEO: Digitale Fachtagung "Achtung, Vertragsfalle! Windenergieanlagen und Freiflächen-Photovoltaik auf dem Acker"
Am 1. Juli 2025 veranstaltete der LBV eine digitale Fachtagung zum Thema " Achtung, Vertragsfalle! Windenergieanlagen und Freiflächen-Photovoltaik auf dem Acker". Hier finden Sie die...

Weitere News
Weitere aktuelle Themen rund um die Landwirtschaft.

Alle Meldungen




Seite drucken