Kreisbauerntag Göppingen 2017
Neue Perspektiven und Innovationen
Hattenhofen (Landkreis Göppingen), 2. März 2017
Neue Perspektiven und Innovationen
Die Produktionssysteme hinterfragen, Handlungsbedarf benennen, die Bewirtschaftung optimieren. Dazu sieht Carl-Albrecht Bartmer die Landwirte aufgefordert. Die Branche werde so ernster genommen, ihre Experten wieder mehr gefragt. Er sei froh mit dem Bauernverband einen starken Partner zu haben. Das erklärte der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) am Donnerstag, 2. März 2017, beim Kreisbauerntag in Hattenhofen (Landkreis Göppingen).
Partnerschaft mit dem Bauernverband
Die Bedeutung der Partnerschaft mit dem Bauernverband betont Bartmer mehrmals. Dieser vertrete politische Interessen. Das sei wichtig für die Landwirte. Parallel dazu könne die DLG als Fachorganisation Fragen beispielsweise zur Optimierung der Produktion aufwerfen.
Im gemeinsamen Auftritt seien beide Organisationen „stärker in der Gesellschaft und wir können im Wahlkampf nicht so leicht auseinanderdividiert werden“, meint der DLG-Präsident.
Angriff auf die GAP
Für den klangvollen Auftakt des Kreisbauerntages hatte die Reiterliche Jagdhornbläsergruppe Donzdorf gesorgt.
Hermann Färber nimmt in seiner Einführung sogleich die Vorlage von Landrat Edgar Wolff an. Der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Göppingen dankt den Bediensteten des Landwirtschaftsamtes für ihren großen Einsatz, um die Ausgleichszahlungen möglichst früh auf den Weg zu bringen.
Anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Kreisbauernverbandes Göppingen erinnert der Vorsitzende an den Hungerwinter 1946/47. Aus diesen Erfahrungen sei die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in der EU entstanden. Heute versuche eine „europaweite Koalition“, die Bedeutung der GAP herunterzureden.
Starke Polarisierung
Agrarpolitisch spricht er im Zeitraffer viele aktuelle Vorhaben der EU-Agrarpolitik an.
- So den Wegfall chemischen Pflanzenschutzes auf Ökologischen Vorrangflächen (ÖVF), der den An-bau heimischer Leguminosen ungünstiger mache und mehr Importe erfordere.
- Weiter das Düngepaket, das den Strukturwandel anheizen werde und zwar für Praktiker nicht zufriedenstellend sei, jedoch nach dreijährigen Verhandlungen das „beste Ergebnis“ sei, das für die Landwirtschaft hätte erzielt werden können.
- „Wir erleben eine starke Polarisierung in der Öffentlichkeit, über Landwirtschaft reden viele Umweltschutzorganisationen mit, wir Landwirte merken es in mehr Auflagen und steigenden Kosten. Besonders schlimm ist es, dass die Kampagne mit Hass erfüllt ist“, meint Färber.
- „Unglücklich“ nennt er die Kampagne mit den „Neuen Bauernregeln“; diese sei jetzt zwar zurückgezogen, aber „die Diskussion bleibt.
Dass wir heute so gute Lebensmittel haben, wird leider selten mit der Arbeit der Landwirte verknüpft“, bedauert der Kreisvorsitzende.
Fehler in der öffentlichen Diskussion
Drei Fehler macht Färber in der öffentlichen Diskussion aus:
- „Natürlich gut, künstlich schlecht“. Diese Formel gehe oft nicht auf. Beispielsweise seien in 56 Prozent aller Bodenproben Alkaloide; Ursache hierfür seien in der Natur wachsende Pflanzen wie das Johanneskreuzkraut, gibt Färber zu bedenken. Die größte Gefahr bei Lebensmitteln gehe von Bakterien aus.
- Das an sich gute Vorsorgeprinzip werde in der aktuellen Debatte missbraucht. Wenn nämlich die Wissenschaft nicht mit Fakten aufgetretene Schäden belegen könne, pochten dennoch manche auf das Vorsorgeprinzip, um ihre Interessen durchzusetzen. Da sei jedoch so nicht gedacht. Zulassungsverfahren sollten nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ablaufen.
- Fehlende Wahrnehmung von Zielkonflikten. Wolle man beispielsweise bewusst geringe, ungefährliche Rückstände tolerieren, oder große Gefahren durch Mykotoxine oder andere Schimmelpilze in Kauf nehmen? Färber vermisst die Diskussion: „Welche Nachteile in Kauf nehmen, um welche Vorteile zu erhalten?“.
Ignoranz zur eigenen Forschung
„Wir müssen die Folgen überzogener Auflagen deutlich machen. Diese führen zur Verlagerung der Produktion ins Ausland“, warnt der Kreisvorsitzende. Er fordert, mehr für Forschung und Entwicklung zu tun. Deutschland sei darin führend, viele Leute würden jedoch die Ergebnisse der eigenen Forschung ignorieren. Das könnten wir uns als hochtechnisiertes Land nicht leisten.
Unanständige Demo in Berlin
Beeindruckt zeigt sich Bartmer vom Betrieb der Familie Ilg unmittelbar vor dem Bauerntag. So, wie dort die Chancen dieses Raumes genutzt werden, könne Landwirtschaft Zukunft haben.
Der DLG-Präsident erinnert an den Landtechnik-Pionier Max Eyth, den Dampfpflug-Hersteller John Fowler und die Gründung der DLG, die auf Fortschritt verpflichtet ist und die landwirtschaftlichen Unternehmer einlädt, nach vorne zu schauen.
Heute sei es „en vogue, mit einfachen Lösungen die komplexe Welt zu erklären“. Aber „so schnell und einfach“ könnten beispielsweise der Brexit und die US-Wahl nicht verstanden werden. Die „Wir haben es satt“-Demonstration in Berlin im Januar, wenn gleichzeitig auf der Welt andere Menschgen hungern und migrieren, sei „unanständig“, meint Bartmer.
Zehn Thesen zur Landwirtschaft 2030
Erheblichen Herausforderungen müsse sich die Landwirtschaft stellen. Sie sei konfrontiert mit hohen Landnutzungskosten, dem Konflikt um natürliche Ressourcen. Der Unternehmer frage sich, wie und wo er investiert, wie er den Betrieb entwickeln soll und wie die Perspektiven aussehen. Deshalb habe die DLG „10 Thesen zur Landwirtschaft 2030“ erarbeitet (www.bwagrar.de, Webcode 5306527), um ein realistisches Bild der Landwirtschaft 2030 zu entwerfen.
Bis zu diesem Jahr steigt die Weltbevölkerung voraussichtlich um mehr als ein Fünftel von derzeit sieben auf rund 8,5 Milliarden Menschen. Das bedeute eine riesige Herausforderung an die Lebensmittelproduktion. Deutschland sei „Gunststandort und Teil der Lösung für diese Menschen“, betont Bartmer. „Mehr ernten, intensivieren“, sei notwendig. Deutschland müsse dazu seinen Beitrag im internationalen Agrarhandel leisten und ökologische Nachteile minimieren.
Strategie für zukunftsfähige Landwirtschaft
Unter anderem plädiert der DLG-Präsident in seiner „Strategie für eine zukunftsfähige Landwirtschaft für Folgendes:
- Fundierte Ausbildung und den Landwirt als ehrbaren Unternehmer.
- Nachhaltige Produktionssysteme, um Nährstoffüberschüsse, Artenrückgang, Klimawandel und Tierwohl in den Griff zu bekommen.
- Innovationsbereitschaft und Ermöglichen von Innovationen.
- Innovative Produktionssysteme, um die Tierhaltung zukunftsfähig zu machen.
- Vermindern von Artenrückgang, Nährstoffüberschüsse und Resistenzen, um den Pflanzenbau mit Umwelt- und Naturschutz in Einklang zu bringen.
- Konstruktives Nutzen der Digitalisierung.
- Faire und respektvolle Auseinandersetzung mit der Gesellschaft durch Zuhören, realistische Selbsteinschätzung, sachliches Argumentieren und mutige Handlungsbereitschaft.
Gesellschaftliche Akzeptanz sei morgen ein noch wichtigeres Kapital als bereits heute! - Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik, wobei mit öffentlichen Geldern nachhaltige Produktionsweisen unterstützt werden und die Betriebe sich auf die schrittweise Kürzung der Flächenprämie einstellen sollten.
- Den internationalen Agrarhandel so gestalten, damit er mit den Zielen der Entwicklungspolitik in Einklang gebracht werden kann.
- Die Wertschöpfungskette für Lebensmittel und den ländlichen Raum stärken.
Wichtiger Beitrag für die Gesellschaft
Die Landwirtschaft erbringt einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft, hatte zu Beginn des Bauerntages Edgar Wolff in seinem Grußwort erklärt. Der Göppinger Landrat dankt den Bauernfamilien für ihr „Schaffen unter nicht einfachen Bedingungen zur Lebensmittelproduktion und zum kulturlandschaftlichen Werterhalt. „Der Landkreis möchte Ihnen ein verlässlicher Partner sein“, versichert Wolff, „das ist umso wichtiger, weil die Situation in der Landwirtschaft alles andere als rosig ist.“ Die Betriebe seien von der Marktkrise „hart getroffen“. Wenigstens sei es gut, dass sich die Lage wieder verbessert.
Lob für extremen Einsatz
Über 2000 Anträge auf Ausgleichszahlungen hat der Landkreis Göppingen 2016 bearbeitet. Trotz der Probleme mit Fiona, insbesondere bei Betrieben mit Vor-Ort-Kontrollen, seien in den ersten Wochen des neuen Jahres die Zahlungen weitgehend abgeschlossen worden. Das Landwirtschaftsamt habe sich „extrem eingesetzt und Dank verdient“, betont der Landrat. Die Zahlungen aus FAKT und SchALVO folgten in nächsten Wochen, verspricht Wolff.
Zunehmende Sensibilisierung
Beim Tierwohl sei eine zunehmende Sensibilisierung in der Gesellschaft festzustellen, meint der Landrat. Der Landkreis sei von gewaltsamem Eindringen in Ställe nicht verschont worden. „Das ist nicht in Ordnung, das können wir uns nicht gefallen lassen, hier ist mehr gemeinsame Solidarität gefordert“, erklärt Wolff.
Autor: hk