Kreisbauerntag Böblingen 2018 in Ehningen
Gerig: Gemeinsam geht es besser
Ehingen (Landkreis Böblingen), Samstag, 3. Februar 2018
Kreisbauerntag Böblingen 2018 in Ehingen
Wir brauchen Verbündete
Die Landwirtschaft stehe vor einer Vielzahl an Herausforderungen. „Gemeinsam geht es besser, diese erfolgreich zu bestehen“, ist Gerig überzeugt. Das habe er in gut 25 Jahren Arbeit für die Maschinenringe mitgestaltet und erlebt. Eine Branche mit nur rund einem Prozent Anteil an den Beschäftigten brauche Verbündete. Auf die Agrar- und Ernährungsbranche insgesamt entfiele dagegen mehr als jeder zehnte Arbeitsplatz in Deutschland. „Wenn wir Landwirte mit der gesamten Ernährungsbranche und auch den Naturschützern kooperieren, können wir es schaffen, die Existenz der bäuerlichen Landwirtschaft zu sichern", zieht der Ausschussvorsitzende das Fazit.
Systemfehler im Visier
Die Löhne in der Altenpflege seien zu niedrig, zieht Kindler Parallelen zu den Einkommen der Bauern. „Wenn Berufsgruppen zu Hungerlöhnen arbeiten müssen, können sie sich das nicht gefallen lassen", sieht der Kreisvorsitzende einen „Systemfehler“. Die Landwirtschaft sei hinsichtlich Verdienst und Wertschätzung in schwieriger Lage. Kindler fordert den Abbau der Bürokratie. Die Politik lasse Mikroplastik beispielsweise in Kosmetika zu. Das ist für ihn völlig unverständlich, zumal Milch sofort bei angeblich zu hoher Keimzahl weggekippt werden müsse.
Wir brauchen keinen Wolf
„Wir brauchen im Ballungsraum keinen Wolf“, bezieht der Kreisvorsitzende Position. Immer mehr Schäfer würden aufhören, weil sie bei immer höherem Aufwand nicht auf ihre Kosten kämen. Für den naturschutzrechtlichen Flächenausgleich fordert er „intelligentere Maßnahmen“ als bisher. Das Baurecht im Außenbereich müsse die Standortsicherung landwirtschaftliche Betriebe zulassen. Die Landwirtschaft stehe „verstärkt am Pranger“ leitet er zum Vortrag von Alois Gerig über. Von dem Vorsitzenden des Ernährungsausschusses verspricht er sich deutliche Worte für eine Politik, welche die Landwirtschaft und den ländlichen Räume stärkt.
Die Welt nicht schönreden
„Die Weltbevölkerung wächst. Ihre Ernährung muss die internationale Politik lösen. Dabei brauchen wir ein Signal aus Deutschland, weil wir in dieser Frage oft als Leuchtturm gesehen werden“, erklärt Gerig. „Wir dürfen uns die Welt nicht schönreden!", meint der CDU-Bundestagsabgeordnete. „Lebensmittel sind auch in ihrer Region sehr gut und bestens kontrolliert. Die Qualität der Nahrungsmittel ist in Deutschland im weltweiten Vergleich mit am höchsten, erklärt Gerig unter Applaus.
Jeder kann zur Existenzsicherung beitragen
„Die Landwirtschaft ist bereit, sich um- und auf neue Rahmenbedingungen einzustellen. Aber der Aufwand dazu muss ihr ausgeglichen werden", unterstreicht Gerig. „Die Verbraucher können durch den Griff ins richtige Regal und Einkauf im Hofladen dazu beitragen, dass wir die Landwirtschaft so betreiben, wie sie die Menschen gerne hätten", betont der Bundestagsabgeordnete. Als „sehr kritisch“. beurteilt er den Strukturwandel. „Jeder kann dazu beitragen, dass die Landwirtschaft in der Fläche erhalten bleibt und existieren kann“. Im Koalitionsvertrag sei formuliert: „Wir wollen eine flächendeckende Landwirtschaft, bäuerlich und familiengeführt.“
Was getan werden kann
Für eine auf die Existenzsicherung der bäuerlichen Landwirtschaft ausgerichtete Politik spricht Gerig eine Vielzahl an Maßnahmen und Forderungen an.
- Landwirte können sich zu ein-und Verkaufsgesellschaften zusammenschließen.
- Landwirte sind bereit zu Veränderungen, wenn diese honoriert werden, wie beispielsweise die Brancheninitiative Tierwohl zeigt.
- Je weniger Landwirte es gibt, umso wichtiger ist es zu erklären, warum beispielsweise Bauern mit großen Traktoren durchs Dorf fahren und Kühe nicht nur Heu fressen, sondern auch Gülle produzieren.
- Initiativen, ehrenamtliches und politisches Engagement von Bauernverband, Landfrauen und Landjugend sind wichtig.
- Die vielfältige Kulturlandschaft könne nur Landwirte leisten.
- Die Politik hat mit dafür Sorge zu tragen, damit die Kulturlandschaft gepflegt wird.
- Die Finanzmittel der EU britische Agrarpolitik sind Bauerngeld und müssen in der Hand der Landwirte bleiben.
- Landwirtschaftlichen Unternehmen müssen sich entwickeln können.
- Mehr Tierwohl geht nur mit Förderung.
- Die Mittel aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sind für viele Höfe existenziell geworden; sie bilden oft mehr als 50 Prozent des Einkommens. Diese Situation ist den niedrigen Lebensmittelpreisen in Deutschland geschuldet.
- Deutschland lebt vom Export. Das bringt Wohlstand. Deswegen kann Deutschland nicht einfach die Grenzen für Waren und Menschen dichtmachen. Allerdings ist bei Missständen einzuschreiten.
- Bagatellegrenzen sind notwendig, damit geringfügige Rückforderungen in der Abwicklung nicht mehr kosten als ihr Wert.
- Wo das Dünge-Paket auf praktische Probleme stößt, muss nachgebessert werden.
- Wenn Bauern auf Bio umfüllen, kann der Staat unterstützen. Die dauerhafte Sicherung der Existenz muss allerdings der Markt richten. Das geht nur, wenn der Verbraucher bereit ist, mehr zu bezahlen.
- Entscheidungen der Politik müsse sich an wissenschaftlichen Kriterien ausrichten.
- Die Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln müssen effizienter werden.
- Gentechnikfreiheit im Anbau ist ein wichtiges Gut. Das Prädikat „gentechnikfrei" sollte stärker vermarktet werden.
- Transparenz ist wichtig, damit die Verbraucher die Herkunft erkennen können und Vertrauen gebildet wird.
- Deutschland braucht eine nachhaltige Forstrpolitik mit flächendeckender Beförsterung zur Unterstützung von Kleinwaldbesitzern.
- Die Förderung der Bioenergien ist vernünftig weiterzuführen, Fehl- und Überförderungen zu vermeiden.
- Die Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage ist vernünftig und anzustreben.
- Weitere Mittel für die landwirtschaftlichen Sozialversicherungen sind notwendig. Denn es gibt immer mehr Empfänger als Beitragszahler.
- Mit neuen Verfahren im naturschutzrechtlichen Flächenausgleich ist dazu beizutragen, den Verbrauch landwirtschaftlicher Nutzflächen zu verringern.
- Schnelles Internet muss auf jeden Hof, um die Möglichkeiten in der Digitalisierung nutzen zu können.
Ärger hoch drei
Massentierhaltung, Glyphosat, Nitrat im Grundwasser, Emissionen und vieles mehr. „Vorwürfe zu erhalten, für alle Missstände verantwortlich zu sein und dann auch noch weniger Einkommen als andere zu verdienen, das ist Ärger hoch drei“, bekennt Landrat Roland Bernhard. Er ermuntert die Landwirte, die Köpfe nicht hängen zu lassen. „Es ist das allerwichtigste, den Verbraucher zu gewinnen, auch einmal drei oder vier Euro mehr hinzublättern“. Die Landwirte sollten sich nicht darauf reduzieren lassen, ausschließlich Lebensbilder verzieren. Zu dieser Hauptaufgabe kämen die Pflege der Kulturlandschaft, was ein wichtiger öffentlicher Wert darstelle, und viele andere Leistungen.
Ländliche Räume nicht vernachlässigen
Marc Biadacz, CDU-Bundestagsabgeordneter, will in nächster Zeit durch das Heckengehäuse reisen um zu lernen, was die Landwirte und andere Bürger bewegt.
Dr. Florian Toncar, FDP-Bundestagsabgeordneter, appelliert, die ländlichen Räume nicht zu vernachlässigen. Für richtig erachtet er, den naturschutzrechtlichen Flächenausgleich so zu regeln, damit der Landwirtschaft nicht zweimal wertvolle Flächen entzogen werden. Er spricht sich dafür aus, den Wolf in das Jagdgesetz aufzunehmen.
Dr. Bernd Muschel, Landtagsabgeordneter der Grünen, sieht eine spannende Zeit hinsichtlich der Frage voraus, wie die neue EU-Agrarpolitik ausgestaltet wird. Die hiesigen Landwirte könnten es nicht leisten, mit dem Weltmarkt zu konkurrieren. Baden-Württemberg brauche funktionierende ländliche Räume, in denen Platz für die Landwirtschaft ist.
Bürokratie zum großen Teil nicht aus Europa
Rainer Wieland, Europaabgeordneter der CDU, meint, sich durch den Kopf gehen zu lassen, wenn der frühere Extrembergsteiger Reinhold Messner nichts von der Ansiedlung des Wolfes halte. Was den Landwirten und Bürgern Bürokratie begegne, käme zu einem großen Teil nicht aus Europa, sondern aus dem Bund, Land und auf den Landratsämtern. Für ihn wird zu viel über Verschwörungstheorien gesprochen. Er plädiert in der Politik für einen Liefer- und nicht für einen Versprechenswettbewerb. Jetzt gehe es in der Bundespolitik um neue, zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft und die gesamte Wirtschaft.
Autor: hk