Erklärung zur aktuellen Bioenergie- und Nahrungsmitteldiskussion
der deutschen Bauern!
zur aktuellen Diskussion um Bioenergie und Nahrungsmittel
1. Die Nahrungsmittelproduktion ist und bleibt die Kernkompetenz der deutschen und europäischen Landwirtschaft. In der gesamten EU werden nach wie vor preiswerte und sichere Nahrungsmittel in ausreichender Menge erzeugt und das unter hohen europäischen
Standards für einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen.
2. Die Situation auf den Weltmärkten für landwirtschaftliche Rohstoffe verändert sich
derzeit grundlegend. Ausgehend von einer stetig steigenden Weltbevölkerung, wachsender Kaufkraft und sich wandelnden Ernährungsgewohnheiten in den Entwicklungs- und Schwellenländern sind viele landwirtschaftliche Märkte zu Nachfragemärkten geworden.
3. Die Diskussion über die Konkurrenz von Nahrungsmitteln und Bioenergie muss sich
an folgenden Tatsachen orientieren:
• Der Aufbau des Bioenergie-Sektors zum Zwecke der Entlastung überschießender Agrarmärkte hat sich inzwischen relativiert. Heute stehen bei den nachwachsenden Rohstoffen vor allem die politischen Ziele der Versorgungssicherheit und des Klimaschutzes im Vordergrund.
• Die jetzige Agrarpreisentwicklung wird jedoch weniger durch die Bioenergie als vielmehr durch einen weltweit entstehenden Nachfragesog nach Nahrungs- und Futtermitteln und nahezu geräumte Lagerbestände befördert. Andererseits sind bei weltweit steigenden Energiepreisen steigende Nahrungsmittelpreise eine logische Folge.
• Die weltweite Belebung der Nachfrage für wichtige landwirtschaftliche Produkte, wie z.B. Getreide, erfordert es, dass die Landwirte produktiver und effizienter wirtschaften. Dies bedeutet aber keineswegs, die Prinzipien einer nachhaltigen, tier- und umweltgerechten Produktion über Bord zu werfen.
Berlin, 15.04.2008
• Höhere Agrarpreise führen dazu, dass sich die Landwirte auf die Produktion von Nahrungsmitteln konzentrieren. Bioenergie verliert gegenwärtig an Wettbewerbsfähigkeit, das gilt allerdings auch für die tierische Veredlung wegen höherer Produktionskosten, insbesondere Futterkosten.
• Diese Entwicklung darf nicht einseitig als Bedrohung für Entwicklungs- und Schwellenländer gesehen werden, sondern bietet eine große Chance für die Stärkung der
Bauern und der ländlichen Räume auch in diesen Ländern. Die dort erforderliche Revitalisierung der Landwirtschaft ist nicht an der Agrarpolitik der EU, sondern meist am maroden politischen und wirtschaftlichen System dieser Länder gescheitert.
4. Aufrufe zum Stopp der Nutzung von Bioenergie werden zurückgewiesen. Wie viel Bioenergie letztlich erzeugt wird, entscheidet der Markt. Dabei werden der Preis und die Verfügbarkeit fossiler Energieträger (Öl, Gas, Kohle) eine entscheidende Rolle spielen. Nach wie vor sind in einem begrenzten Umfang und für einen begrenzten Zeitraum zur Etablierung der innovativen Technologien zur Erzeugung von Bioenergie weiterhin
Anschubförderungen gerechtfertigt. Die nationale und europäische Förderpolitik für Bioenergie sollte nach den folgenden Grundsätzen weiterentwickelt werden:
• Bei allen weiteren Schritten des Ausbaues der Bioenergie sollte die Effizienzsteigerung wichtiger sein als das Erreichen hochgesteckter quantitativer Ziele. Das
dient dem bestmöglichen Klimaschutz. Auch die regionale Wertschöpfung muss ein wichtiges Ziel bleiben.
• Gleichzeitig muss die Förderpolitik verlässlich bleiben. Wenn bestimmte Zweige der Bioenergieproduktion wegen stark gestiegener Rohstoffkosten an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, so darf dies nicht zu einem hektischen „Nachsteuern“ der Förderpolitik
führen. Daher wird zum Beispiel im EEG eine Anhebung des NaWaRo-Bonus für neue Anlagen mit der Begründung gestiegener Rohstoffkosten abgelehnt. Auch
ein „Stop-and-Go“, wie es bei den Biokraftstoffen geschieht, ist nicht akzeptabel.
5. Konkret fordert der DBV als nächste Schritte:
• Bei Biokraftstoffen den moderaten Pfad einer höheren Beimischung nach dem geltenden Biokraftstoffquotengesetz nicht verlassen; gleichzeitig Stabilisierung des augenblicklich zusammenbrechenden Reinkraftstoffmarktes, zum Beispiel durch
Erhalt bzw. Wiederherstellung einer Steuervergünstigung für bestehende Anlagen. Die Produktion aus neuen Anlagen sollte aber nicht mehr steuerlich begünstigt sein.
• Eine Zertifizierung von Rohstoffimporten für Biokraftstoffe aus Drittländern auf Basis der geltenden EU-Standards ist erforderlich, um einen Dumpingwettbewerb bei der Bioenergie auszuschließen. Dies darf aber für die hiesige Landwirtschaft nicht zu
zusätzlicher Bürokratielast führen. Außerdem dürfen mögliche ökologische Probleme
in Entwicklungs- und Schwellenländern (z.B. Rodung des Regenwaldes) nicht der nachhaltig wirtschaftenden heimischen Landwirtschaft zum Vorwurf gemacht werden.
• Zügige Verabschiedung der Novelle des EEG, darin im Sinne der Effizienz vorrangig eine Verbesserung der Vergütung der betrieblichen bzw. lokalen Güllenutzung sowie von Nebenprodukten. Bestehende Biogasanlagen müssen aber im Bestand gesichert werden.
• Stärkere investive Förderung für den Ausbau der effizienten Wärmenutzung aus Biomasse, da dieser Zweig besonders wettbewerbsfähig ist.
• Wenn Bioenergie nach ihrem Beitrag zur Treibhausgasverminderung bewertet werden soll, so ist hier ganz dringend ein wissenschaftlicher und politischer
Konsens über dessen definitorische Grundlagen erforderlich. Dies gilt vor allem für landwirtschaftlichen Produktionsverfahren, das dabei gebundene CO2 und die
entstehenden Treibhausgase.
• Es müssen wirksame Schritte zur Minderung des Flächenverbrauches unternommen werden. Sowohl durch die Überbauung von Flächen als auch durch Ausgleichsmaßnahmen für den Naturschutz gehen hochproduktive Acker- und Grünlandflächen
dauerhaft verloren. Eine Überbauung von Flächen darf mittelfristig nur noch nach dem Grundsatz „Entsiegelung bei Neuversiegelung“ erfolgen. Lösungsansätze hierfür
müssen auch im Umweltgesetzbuch verankert werden. Der Referentenentwurf lässt diese jedoch bislang vermissen.
• Zur Sicherung eines langfristigen und weltweit dringend erforderlichen Wachstums
bei der Nahrungsmittelproduktion ist vor allem eine Revitalisierung der Agrarwissenschaften und der Agrarforschung notwendig.
Autor: DBV