Mobbing an Bauernkindern
Ene, mene... und raus bist DU!
Jeder sechste Schüler in Deutschland ist Opfer von Mobbing, heißt es in der PISA-Studie 2015 zum Wohlbefinden von Schülern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Auch Bauernkinder werden zur Zielscheibe. Wir haben mit Diplom-Psychologin Bettina Müller gesprochen, die die Psychologische Beratungsstelle des Kinderschutzbundes für Ulm und den Alb-Donau-Kreis leitet.
Dumme Witze, Sticheleien, abfällige Bemerkungen – Bauernkinder sind in der Schule offenbar vermehrt Anfeindungen ausgesetzt, die auf den Beruf der Eltern gründen. Das zeigt auch eine von den Landfrauen Württemberg-Hohenzollern auf den Weg gebrachte Umfrage. Die Betroffenen - Kinder, Eltern aber auch Lehrer - sind oft hilflos.
Wo beginnt Mobbing?
Dipl.-Psychologin Bettina Müller: Mobbing ist eine Form von Gewalt, die längere Zeit andauert und mit System erfolgt. Dabei zu sagen: Ich lasse es über mich ergehen und abzuwarten ist falsch. Hat Mobbing einmal begonnen und man unternimmt nichts dagegen, wird es immer heftiger.
Wer wird Mobbing-Opfer?
Dipl.-Psychologin Bettina Müller: Zum Mobbing-Opfer kann jeder werden. Meist trifft es Kinder, die sich in einem Punkt unterschieden. Ein Anknüpfungspunkt kann für Täter die andere Lebenswelt von Bauernkindern sein, zum Beispiel die Einzelhoflage oder ein spezieller Geruch. Aber es trifft auch kluge Kinder oder solche, die anderen im Sport überlegen sind. Die Täter finden immer etwas, das anders ist als bei der breiten Masse.
Wer sind die Täter?
Dipl.-Psychologin Bettina Müller: Täter haben eine hohe Sensibilität für Gruppenprozesse. Sie testen zunächst aus, wie weit sie gehen können. Kommt keine Gegenwehr, machen sie weiter und gewinnen dabei an Macht. Je mehr Mitstreiter sie finden, desto mehr tritt der Täter in den Hintergrund. In den meisten Fällen ist Mobbing kein individuelles Problem zwischen Opfer und Täter, sondern ein Gruppen-Phänomen. Je früher Erwachsene klar stellen „das dulden wir nicht“, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Mobbing in einer Klasse breit macht.
Was können Eltern tun, wenn das Kind gemobbt wird?
Dipl.-Psychologin Bettina Müller: Hinweise darauf sind nicht immer offenkundig. Wenn ein Kind allerdings plötzlich nicht mehr gerne zur Schule geht oder die Schulsachen permanent zerstört und gar verschwunden sind, sollten die Alarmglocken schrillen. Der Satz „stell dich nicht so an“, ist dann nicht angebracht. Man muss zuhören und nachfragen und sollte selber nicht in Panik verfallen, sondern vermitteln, dass Problem anzugehen und zu lösen.
Wie geht man das Problem in einer Klasse an?
Dipl.-Psychologin Bettina Müller: Erfolgt das Mobbing in der Schule, liegt es in der Verantwortung der Schule, gemobbte Kinder zu unterstützen. Dabei muss klar sein: Mobbing ist ein Klassenproblem. So müssen Lehrer wie auch alle Schüler ins Gespräch kommen. Die Psychologische Beratungsstelle im Alb-Donau-Kreis und der Stadt Ulm zum Beispiel, hat ein Projekt ins Leben gerufen, in dem sie in die Klassen geht und dort das Problem erarbeiten. Dazu sind wir allerdings auf Spenden angewiesen, denn es ist sehr zeitaufwendig.
Was, wenn der Lehrer der Auslöser des Mobbings ist?
Dipl.-Psychologin Bettina Müller: Vielen Lehrern ist oft nicht bewusst, was sie mit flappsigen Bemerkungen auslösen. Unüberlegte Aussagen sind dann die Vorlage für weitere Sticheleien auf dem Schulhof, die sich immer weiter zuspitzen. Auch hier sollte dringend das Gespräch gesucht werden.
Kann man sich bei Mobbing Hilfe holen?
Dipl.-Psychologin Bettina Müller: Die Psychologischen Beratungsstellen des Kinderschutzbundes bieten Hilfe. Ebenso viele caritative Einrichtungen. Eltern haben ein Recht auf Erziehungsberatung und sollten sich auf jeden Fall an eine solche Stelle wenden. Das geht auch anonym.
Danke für das Gespräch.
Mehr zum Mobbing an Bauernkindern und erste Ergebnisse aus der Umfrage des Landfrauenverbandes Württemberg-Hohenzollern lesen Sie in BWagrar, Ausgabe 6, die am 8. Februar erscheint.
Beratung bei Mobbing bieten unter anderem:
Kinderschutzbund in Baden-Württemberg e.V.
Autor: Silvia Rueß