Joachim Rukwied im Interview
Entscheidungen fallen am Ende nicht auf der Straße
Joachim Rukwied im Interview
Entscheidungen fallen am Ende nicht auf der Straße
Joachim Rukwied, Landwirt aus Eberstadt (Landkreis Heilbronn), ist Präsident des Landesbauernverbandes (LBV) und des Deutschen Bauernverbands (DBV). Seit Monaten kommt es immer wieder zu Schlepperdemonstrationen. Warum ruft der Bauernverband nicht dazu auf? Wie ist sein Verhältnis zu „Land schafft Verbindung (LsV)“? Wie vertritt er die Interessen seiner Mitglieder? Diese Fragen beantwortet Rukwied in BWagrar.
BWagrar: Herr Rukwied, in den vergangenen eineinhalb Jahren kam es immer wieder zu Schlepperdemonstrationen. Warum ruft der Landesbauernverband zu solchen Protestaktionen nicht auf?
Rukwied: Die ersten Demonstrationen hatten gewaltige Wucht und haben unserer politischen Arbeit Rückenwind gegeben. Mittlerweile hat die Wahrnehmung in Öffentlichkeit und Politik spürbar nachgelassen. Für uns als Berufsstand ist es daher umso wichtiger, uns mit den Entscheidungsträgern direkt auseinanderzusetzen.
Diskutieren, streiten und fachliches Argumentieren sind im politischen Geschäft unverzichtbar. Manches Ergebnis kann uns nicht zufriedenstellen, wie beispielsweise bei der Düngeverordnung und der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.
Gerade in Baden-Württemberg ist es uns immer wieder gelungen, akzeptable Lösungen auf den Weg zu bringen. Und genau auf diese Überzeugungsarbeit setzen wir als Bauernverband. Diese Sacharbeit begleiten wir mit intelligenten Aktionen wie den Videostatements unserer Bäuerinnen und Bauern zum Insektenschutzpaket. Ich habe vollstes Verständnis für den gegenwärtigen Unmut auf den Höfen. Schlepperdemonstrationen halten wir derzeit jedoch nicht für das Mittel der Wahl.
„Gemeinsam mit der Landespolitik haben wir in vielen Fällen Kompromisse finden können.“
BWagrar: Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit des Bauernverbandes mit der Landesregierung?
Rukwied: In den vergangenen Jahren ist der Druck auf die Landwirtschaft durch öffentliche Kritik und neue gesetzliche Auflagen extrem gestiegen. Das belastet uns Bauern sehr.
Bei all den schwierigen Themen haben wir aber gemeinsam mit der Landespolitik in vielen Fällen Kompromisse finden können. Denken Sie an das drohende Volksbegehren zum Bienenschutz, an die deutliche Verringerung der Roten Gebiete oder die Ausgestaltung unserer Agrarumweltprogramme. Der Bauernverband setzt auf die Diskussionen mit der Politik und den Fachministerien, weil am Ende die Entscheidungen am Tisch und nicht auf der Straße fallen.
Was wir von der neuen Landesregierung erwarten, haben wir auch klar und deutlich in unserem Forderungskatalog zur Landtagswahl 2021 geäußert (siehe www.lbv-bw.de/Landtagswahl).
BWagrar: Wie bewerten Sie die Situation auf Bundesebene?
Rukwied: Dort liegen aktuell die größten Herausforderungen. Denken Sie beispielsweise an die Düngeverordnung, das Insektenschutzpaket oder die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Insbesondere das Bundesumweltministerium bereitet uns mit seiner Verbotspolitik massive Probleme.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Berufsstand gemeinsam mit der Landespolitik die Interessen der Familienbetriebe Baden-Württembergs in Berlin verteidigt.
„Wir haben nur Erfolg, wenn wir gemeinsam versuchen, Politik und Gesellschaft zu überzeugen.“
BWagrar: Wie ist das Verhältnis zwischen Bauernverband und LsV?
Rukwied: Die Bauernfamilien stellen noch rund ein Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung. Letztendlich werden wir nur erfolgreich sein, wenn wir gemeinsam versuchen, Politik und Gesellschaft mit unseren Botschaften und klaren Argumenten zu überzeugen.
Es gibt sicherlich viele in der LsV, die das ebenso sehen. Es gibt aber auch einige aus der LsV und weitere Gruppierungen, die aus ihrer massiven Ablehnung gegenüber dem Bauernverband und seinen Vertretern keinen Hehl machen.
Das ist umso bedauerlicher, als wir im Kern ähnliche Interessen verfolgen: Eine stärkere gesellschaftliche Würdigung unserer Arbeit sowie bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen.
BWagrar: Immer wieder hört man von Landwirtinnen und Landwirten die Frage: „Was tut denn der Bauernverband?“ Was ist Ihre Antwort darauf?
Rukwied: In Zeiten eines abnehmenden Wählerpotenzials der Landwirtschaft haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, dass der Bauernverband die Interessen seiner Mitglieder sehr wohl durchsetzen und Erfolge vorweisen kann.
„Wir haben es geschafft, die Ausgleichszahlungen in der GAP konstant zu halten.“
- Alleine schon, dass wir es geschafft haben, die Ausgleichszahlungen in der GAP für die kommende Förderperiode konstant zu halten, ist ein großer Erfolg.
- Des Weiteren haben sich die Parameter in der einzelbetrieblichen Förderung seit 2017 deutlich verbessert,
- FAKT wurde seit 2015 um 30 Millionen Euro aufgestockt,
- die benachteiligten Gebiete wurden nun wieder um 232.000 Hektar erweitert und
- die Einkommensgrenzen für die Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Alterskasse um 53 Prozent angehoben.
- Zudem haben wir es geschafft, zu Beginn der Corona-Pandemie, die Verfügbarkeit von Saisonarbeitskräften sicherzustellen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Ganz abgesehen davon, dass der Einzelne ohne eine starke Berufsvertretung auf verlorenem Posten stehen würde. Umso mehr müssen wir alles daransetzen, dass wir gemeinsam geschlossen für unsere Interessen kämpfen.
Erfolge und Leistungen des Bauernverbandes finden Sie auf www.lbv-bw.de/Service/Publikationen
Autor: Präsident Joachim Rukwied; Heiner Krehl