LBV-Veranstaltung zur Ferkelkastration
Ferkelerzeuger müssen sich entscheiden
Welche Einkaufspolitik verfolgen die Metzger? Wie positioniert sich der Lebensmitteleinzelhandel? Was sagt die Wissenschaft? Was empfehlen die Schlachtunternehmen? Und wie sehen die Erzeuger die Chancen und Risiken der verschiedenen Verfahren, die die betäubungslose Ferkelkastration ersetzen sollen? Mit diesem Fragenkatalog konfrontierte der Moderator, LBV-Marktreferent Marco Eberle, die Podiumsrunde.
Eines der in Frage kommenden Ersatzverfahren ist die Ebermast. Rolf Michelberger von der Firma Ulmer Fleisch in Ulm beklagte das mangelnde Interesse der Erzeuger an der Mast unkastrierter männlicher Ferkel. Wie der Geschäftsführer berichtete, führe der Schlachthof Ulm eine eigenständige Preismaske für Schlachteber, deren Eingangsgewichte für die Jungeber gezielt gesenkt wurden. Ansonsten würden die Schlachteber wie alle anderen Schlachtschweine bezahlt.
Für Robert Kraft aus Schrozberg-Schmalfelden kommt die Ebermast nicht in Frage. An der Landesanstalt in Boxberg hat sich der Schweinehalter über das Haltungsverfahren informiert. Am Vorabend der LBV-Diskussion hat er sich zudem die Vor- und Nachteile aufgelistet. Sein Fazit am Dienstag in der Gemeindehalle in Wolpertshausen: „Die Eber bleiben in ihrem Verhalten Eber. In so eine Box traue ich mich nur noch mit einem Stock.“
Breiten Raum nahm bei der Diskussion das Für und Wider der Geruchsbelastung von Eberfleisch ein. Während Prof. Dr. Ulrike Weiler vom Hohenheimer Institut für Nutztierwissenschaften den Prozentsatz belasteter Schlachttiere auf bis zu 30 Prozent schätzte, hielt Dr. Heinz Schweer dagegen. Der Vertreter des niederländischen Fleischvermarkters Vion vertrat wiederholt die Meinung, dass „nur zwei bis drei Prozent der Schlachttiere geruchsauffällig sind“. Vion hat viel Erfahrung auf diesem Gebiet. Wöchentlich schlachtet der Lebensmittelbetrieb 10.000 Eber in Deutschland, in den Niederlanden weitere 70.000 Stück.
Um das aggressive Eberverhalten zu bändigen, empfiehlt Prof. Weiler die Immunokastration, und zwar die Variante der Biobetriebe. Würden die Impfspritzen frühzeitiger und drei- statt zweimal gesetzt, verschwinden auch die unangenehmen Nebenwirkungen wie Rangkämpfe und Penisbeißen, glaubt die Wissenschaftlerin.
Metzger lehnen Masteber ab
Für die in Süddeutschland noch stark vertretene Metzgervermarktung kommt Eberfleisch nicht in Frage. Das bestätigte Rüdiger Pyck vom Landesinnungsverband des Fleischerhandwerks Baden-Württemberg. Eberfleisch sei zu mager für den weithin bekannten Schwarzwälder Schinken. Auch für Rohwurst sei Eberfleisch im Grunde unbrauchbar. Der Sinsheimer Metzgermeister Pyck schlachtet seit einiger Zeit nur noch weibliche Tiere. Die kosten zwar etwas mehr, aber das ist ihm die Qualität wert.
Bei der mit mehr als einhundert Zuhörern gut besuchten LBV-Fachtagung kam auch die Betäubung mit Isofluran zur Sprache. Auch bei diesem Verfahren diskutierte die Runde heftig über Vor- und Nachteile. Teilweise verstrickten sich die Podiumsgäste so sehr in Details, dass Moderator Marco Eberle die Gäste gewieft zur Ordnung rufen musste, um beim Thema zu bleiben. Trotz der lebhaften Gesprächsrunde macht Dr. Heinz Schweer in Süddeutschland eine gewisse „Zurückhaltung und Unsicherheit unter Landwirten und Schlachthofkunden“ aus. Selbst in der Branche, die den Schlachthöfen nachgelagert ist, sei die Meinung über das richtige Nachfolgeverfahren der betäubungslosen Ferkelkastration geteilt.
Tierschutzgesetz werde "nicht mehr aufgemacht"
Dr. Ludger Breloh von der Lebensmitteleinzelhandelskette Rewe brachte die Lage auf den Punkt: „Hier sind noch dicke Bretter zu bohren.“ Ungewöhnlich für einen Vertreter des Lebensmitteleinzelhandels war indes das Engagement für die süddeutsche Ferkelhaltung. „Sie müssen sich entscheiden“, appellierte Breloh vor allem an die Ferkelerzeuger im Saal, „das Datum 1. Januar 2019 ist gesetzt“. Das Tierschutzgesetz werde auch nach der Bundestagswahl 2017 „nicht mehr aufgemacht“. Deshalb müssten Ferkelerzeuger – bei manchen Verfahren auch die Mäster - sich jetzt entscheiden, welches Verfahren sie ab 2019 anwenden wollten. Rewe werde jedes Verfahren akzeptieren, das der Gesetzgeber zulässt.
Einen interessanten Vorschlag brachte Dr. Andreas Randt vom Tiergesundheitsdienst Bayern in die Diskussion ein. In Schweden sei es möglich, Ferkel mit lokaler Betäubung zu kastrieren. Allerdings sei das dazu notwendige Medikament lediglich in der Schweiz und in Schweden zugelassen. Wie Randt berichtete, seien die bayerischen Kollegen bereits mit Tierarzneiherstellern und dem Gesetzgeber im Gespräch wegen einer Zulassung in Deutschland. Die sei nötig, damit Landwirte das Mittel ohne Tierarzt anwenden könnten. Ob die gesetzliche Zulassung bis 2019 klappt, steht aber in den Sternen. Dennoch, das ist ein Vorschlag ganz im Sinne des Praktikers Robert Kraft. „Wir brauchen ein effektives Verfahren, das leicht zu handhaben ist und wenig kostet.“
Vier Verfahren zur Wahl
Bei der LBV-Podiumsdiskussion kristallisierten sich im Grunde vier Verfahren heraus, die den Schweinehaltern nach 2019 zur Verfügung stehen. Damit hätten die Betriebe vor Ort nun die Möglichkeit, das für sie passende auszuwählen, hieß es auf dem Podium. Wesentlich sei, dass sich die Betriebsleiter entscheiden und die Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration jetzt angehen.
Klaus Mugele, der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems, hatte in die Veranstaltung eingeleitet und fand auch die richtigen Worte zum Schluss. Seinen Dank an die Referenten verband er mit einem persönlichen Fazit: "Zum einen oder anderen Detail habe ich jetzt mehr Klarheit“.
Wer sich ebenfalls Klarheit über dieses Thema verschaffen möchte, sollte am 16. Februar 2017 nach Ulm-Dornstadt kommen. Dann wird das gleiche Podium erneut zu einer offenen Diskussion beim LBV zu Gast sein.
Autor: ds