Joachim Rukwied im Interview
Schweinehalter brauchen Zugang zu Corona-Wirtschaftshilfen
BWagrar-Interview mit Joachim Rukwied
Schweinehalter brauchen Zugang zu Corona-Wirtschaftshilfen
Joachim Rukwied, Landwirt aus Eberstadt (Landkreis Heilbronn), ist Präsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV) und des Deutschen Bauernverbands (DBV). Vergangene Woche ist die Schlachtschweinenotierung der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) auf ein Zehnjahrestief abgerutscht. Wie er die aktuelle Entwicklung am Schweinemarkt beurteilt, wie die Krise in der Schweinehaltung bewältigt werden kann, was der Bauernverband tut und was er jetzt fordert, erklärt Rukwied im Interview mit BWagrar.
BWagrar: Herr Rukwied, die Schlachtschweinepreise sind nochmals kräftig gesunken. So niedrig war die Notierung seit zehn Jahren nicht mehr. Wie beurteilen Sie die aktuelle Marktsituation?
Rukwied: Die Situation ist desaströs. Der Schweinefleischmarkt ist durch die Corona-Maßnahmen und den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) massiv unter Druck geraten. Dramatisch zurückgegangen ist der Außer-Haus-Verzehr.
Demgegenüber konnten an den Fleischtheken des Handels und der Metzgereien erhebliche Zugewinne erzielt werden. Marktentwicklungen sind aus unserer Sicht daher kein glaubwürdiges Argument für die massiven Preisrücknahmen in den vergangenen Monaten. Auch in großen Teilen Europas haben wir ein deutlich höheres Erzeugerpreisniveau. Hier wird gerade viel Geld auf dem Rücken der Bauern verdient.
„Die Rücknahme der Schlachtschweinepreise ist verantwortungslos. Irreparable Strukturbrüche sind bereits erkennbar.“
Die Rücknahme der Schlachtschweinepreise ist verantwortungslos, weil sie der gesamten Schweinehaltung massiv schadet. Gravierende, irreparable Strukturbrüche sind bereits erkennbar. Eine solche Krise kann nur von der Branche gemeinsam unter Beteiligung der Politik gelöst werden. Es geht um die Existenz unserer Schweinehalter im Land!
BWagrar: Wie können die Schlachtkapazitäten noch stärker hochgefahren werden? Was erwarten Sie vom Lebensmitteleinzelhandel (LEH), um die Situation zu verbessern?
Rukwied: Es ist ermutigend, dass sich die Schlachtkapazitäten in den vergangenen Wochen wieder erhöht haben. Dafür hat sich der Bauernverband massiv eingesetzt. Aber es darf jetzt nicht nachgelassen werden. Inzwischen ist der Schweinestau in Deutschland auf knapp 600.000 Tiere angewachsen.
Wir brauchen – unter Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes – jede Möglichkeit, die Arbeitszeiten auszuweiten, um die Schlachtkapazitäten höchstmöglich auszulasten.
„Zur Bewältigung dieser Krise sind die gesamte Fleischwirtschaft und der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland gefordert, die Erlöse aller Schweinehalter deutlich zu erhöhen.“
In einem Spitzengespräch mit Vertretern von Schlachtunternehmen und Einzelhändlern aus Baden-Württemberg haben wir die äußerst schwierige Lage diskutiert.
Die Müller-Gruppe hatte zuletzt einen Regionalpakt gefordert und gewährt nun Preiszuschläge. Die Lebensmitteleinzelhändler haben in ihren Regionalprogrammen trotz gefallener Notierung den Erzeugerpreis gehalten.
Einig war man sich, dass die vergangenen Preissenkungen kein geeignetes Instrument zur Bewältigung der Krise und weitere Abschläge nicht hinnehmbar sind.
Das sind wichtige Signale der baden-württembergischen Branche. Zur Bewältigung dieser Krise sind jedoch die gesamte Fleischwirtschaft und der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland gefordert, die Erlöse aller Schweinehalter deutlich zu erhöhen.
BWagrar: Was fordert der Bauernverband, damit die Schweine haltenden Betriebe in Baden-Württemberg eine Zukunftsperspektive haben?
„Die Öffnung von Exportmärkten wäre als positives Signal für die gesamte Branche extrem wichtig.“
Rukwied: Neben den Corona-Maßnahmen belastet die Afrikanische Schweinepest den Schweinefleischsektor. Eine Öffnung von Exportmärkten wäre als positives Signal extrem wichtig. Die Politik muss die Verhandlungen mit Drittländern – insbesondere mit China – über die Anerkennung der EU-Regionalisierungsregelung mit aller Konsequenz und noch mehr Nachdruck weiterführen.
Deutschlandweit müssen die Schweinehalter inzwischen einen Schaden von über einer Milliarde Euro hinnehmen. Die Betriebe brauchen jetzt schnell finanzielle Hilfe, das heißt, Zugang zu den Corona-Hilfen.
Die akute finanzielle Notlage ist schließlich durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ausgelöst worden. Temporäre Stilllegung von Schlachtbetrieben, die Schließung von Gaststätten oder der Wegfall öffentlicher Veranstaltungen sind Hauptursachen des Schweinestaus.
„Politik, Fleischbranche und Handel müssen jetzt schnell handeln. Sonst müssen viele Familienbetriebe ihre Schweinehaltung aufgeben.“
In einem Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier habe ich die Berücksichtigung der Landwirtschaft bei den Corona-Hilfen bereits eingefordert. Außerdem drängen wir auf steuerliche Erleichterungen, wie beispielsweise die Einführung eines Verlustrücktrags.
Die Politik, aber auch die Fleischbranche und der Lebensmitteleinzelhandel müssen jetzt schnell und entschieden handeln. Sonst werden viele Familienbetriebe ihre Schweinehaltung aufgeben müssen.
Autor: Präsident Joachim Rukwied; Heiner Krehl