Bauerntag Esslingen
Ernährungsstudien mit Vorsicht genießen
Nach Ansicht von Udo Pollmer taugen die meisten Ernährungsstudien vor allem dazu, die Verbraucher zu ängstigen und damit auch die Landwirtschaft ins „Bockshorn zu jagen“. Daraus abgeleitete Empfehlungen seien wissenschaftlich selten haltbar, erklärte der redegewandte Lebensmittelchemiker auf dem Bauerntag des Kreisbauernverbandes Esslingen in Dettingen/Teck.
Als jüngstes Beispiel führte Udo Pollmer die kürzlich veröffentlichte Warnung der Weltgesundheitsorganisation WHO an, dass der regelmäßige Verzehr von Wurst und Schinken das Risiko für Darmkrebs erhöhe. Nach Aussage der WHO beruht die Warnmeldung auf einer Auswertung von 800 Studien. Pollmers Recherchen zufolge gibt es diese Auswertung allerdings überhaupt nicht, wie er in Dettingen berichtete. Doch, einmal in die Welt gesetzt, bleibe von solchen Behauptungen mit angstmachenden Inhalten immer etwas in den Köpfen der Verbraucher hängen, weiß der Sachbuchautor – unabhängig von der Richtigkeit oder der Logik der Aussagen. Denn wenn Fleischkonsum tatsächlich so gesundheitsschädlich wäre, wären alle Nomadenvölker längst ausgestorben, meinte er. Schließlich leben diese vornehmlich von Fleisch und tierischen Produkten.
Scheinbar richtige Sachverhalte kritisch zu hinterfragen sieht Pollmer auch als Aufgabe der landwirtschaftlichen Organisationen. Er beobachtet stattdessen, dass die Landwirtschaft in „Angststarre“ verfalle, wenn neue Meldungen über gesundheits- oder umweltschädliche Folgen eines Lebensmittels durch die Medien gehen. So hat er unter anderem auch das Veto der grünen Branche vermisst, als die Diskussion über den angeblich enormen virtuellen Wasserverbrauch für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch losging. Nach Pollmers Empfinden hat die Landwirtschaft dazu jedoch nichts gesagt. Und jetzt sei dieser Wasserverbrauch eine Tatsache in den Köpfen der politischen Entscheidungsträger und dort nur schwierig wieder rauszuholen, erklärte er.
Falsche Angaben als Grundlage
Udo Pollmer widerlegte in seinem Vortrag in Dettingen außerdem die gerne vorgebrachte Behauptung, dass für die Fütterung europäischer Hühner und Schweine mit Soja der brasilianische Urwald abgeholzt wird. Er beschrieb, wie die olivenöl- und gemüsereiche Ernährung der Mittelmeerländer ihren Mythos von der lebensverlängernden Wirkung bekommen hat, nämlich dank falscher beziehungsweise verschwiegener Sterbedaten, um Rentenzahlungen zu verlängern. Zudem prangerte er ganz allgemein die Unsinnigkeit gängiger Ernährungsempfehlungen an. Seiner Meinung nach gibt es keine gesunde Ernährung für alle. Essen müsse vor allem bekömmlich sein und schmecken.
Trotz allem der schönste Beruf der Welt
Siegfried Nägele, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Esslingen, hatte zu Beginn des Bauerntags den Druck beschrieben, dem er und seine Berufskollegen von allen Seiten erfahren. Neben dem Misstrauen der Bevölkerung und der aktuellen schwierigen Einkommenssituation macht den Landwirten vor allem der immer dichter werdende Paragrafendschungel das Leben schwer. Die Politik verspreche seit Jahren Bürokratie-Entlastung, tatsächlich ersticke die Landwirtschaft in Vorschriften, beklagte Nägele.
Die Freude an der Arbeit will er sich aber dennoch nicht nehmen lassen. „Landwirt ist einer der schönsten Berufe“, sagte der Bissinger Milchviehhalter, „wir lassen uns nicht kleinkriegen.“ Gleichwohl gelte es in Zukunft noch mehr denn, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Fakten allein reichten nicht, die Landwirtschaft brauche ein Gesicht.
Vorsitzender Michael Zimmermann verabschiedet
Im Anschluss an den Udo Pollmers Vortrag dankte Siegfried Nägele seinem bisherigen Mitvorsitzenden Michael Zimmermann für sein mehr 25-jähriges Engagement im Kreisbauernverband Esslingen und ernannte ihm zum Ehrenvorsitzenden. Zimmermann hatte nicht mehr als Vorsitzender kandidiert. Zu seinem Nachfolger wählten die Mitglieder des Kreisbauernverbandes Tobias Briem aus Bernhausen. Der 28-jährige Gemüsebaumeister ist bereits seit zwei Jahren im Vorstand des Kreisverbandes aktiv. Der Verband hält damit an der Doppelspitze fest. Die erste Landesbeamtin des Kreises Esslingen, Dr. Marion Leuze-Mohr, zeichnet Zimmermann mit der Silbernen Medaille des Landeskreises aus.
Desweiteren ehrte sie in Dettingen gemeinsam mit dem Leiter des Landwirtschaftsamtes, Reinhold Klaiber, die Teilnehmer der Gläsernen Produktion 2015 sowie den Berufsnachwuchs im Kreis und übergab zwei Schilder des Lernortes Bauernhof. Der Bauernverband ehrte zudem die langjährigen Ortsobmänner Albrecht Blessing, Jesingen; Karl Burkhardt, Neidlingen; Markus Eberhardt, Deizisau, jeweils für zehn Jahre Engagement, sowie Kurt Strobel, Kemnat, für 25 Jahre.
Autor: koe