Joachim Rukwied im Interview
Warum trägt der Bauernverband die "Eckpunkte zum Insektenschutz" mit?
Joachim Rukwied im Interview mit BWagrar
Warum trägt der Bauernverband die "Eckpunkte zum Insektenschutz" mit?
Joachim Rukwied bewirtschaftet in Eberstadt (Landkreis Heilbronn) einen Ackerbaubetrieb mit Feldgemüse und Weinbau. Er ist Präsident des Landes- (LBV), Deutschen (DBV) und europäischen Bauernverbandes (COPA). Die Landesregierung legte am 9. Oktober 2019 „Eckpunkte zum Insektenschutz“ vor. Am „Runden Tisch“ erzielten am 18. Dezember 2019 Bauern-, Wein- und Obstbauverbände sowie Naturschutzverbände und Initiatoren des Volksbegehrens Artenschutz „Rettet die Bienen“ einen Kompromiss. Warum trägt der Bauernverband dieses Ergebnis mit? Wie kann er im weiteren Prozess die berufsständischen Interessen vertreten? Das erklärt Rukwied im Interview mit BWagrar.
BWagrar: Herr Rukwied, warum fand das Volksbegehren Artenschutz "Rettet die Bienen" in Baden-Württemberg keine so hohe Zustimmung wie in Bayern?
Rukwied: In den vergangenen Monaten hat sich der Bauernverband sehr intensiv für die Interessen der Bauernfamilien im Land eingesetzt. Es war wichtig, dass die Vorschläge von ProBiene verhindert werden, die katastrophale Folgen für unsere regionale Landwirtschaft gehabt hätten. Unsere Position „Richtige Ziele, aber falsche Maßnahmen“ wurde und wird von Wissenschaft, Kirche, Imkern, Vertretern des Biolandbaus und Teilen des Naturschutzes unterstützt. Der intensive, fachliche Austausch und die Meinungsbildung mit all diesen Akteuren hat den Verlauf des Volksbegehrens entscheidend beeinflusst. So wurden die Vorschläge von proBiene in den Medien stark hinterfragt und gleichzeitig Verständnis für die Sorgen der Landwirtschaft gezeigt.
"Die Vorschläge von proBiene wurden in den Medien stark hinterfragt und gleichzeitig Verständnis für die Sorgen der Landwirtschaft gezeigt. Dazu haben auch die landwirtschaftlichen Betriebe vor Ort erheblich beigetragen."
Dazu haben auch die landwirtschaftlichen Betriebe vor Ort erheblich beigetragen. Die Bäuerinnen und Bauern haben ihre Leistungen für den Artenschutz und ihre berechtigte Sorge hinsichtlich des Volksbegehrens authentisch dargelegt. Unsere Kreisbauernverbände haben sie dabei mit Informationsmaterial vom LBV kräftig unterstützt und damit unsere Basis mit Informationen und Argumenten ausgestattet.
Ein erster großer Erfolg
Letztendlich haben wir es so gemeinsam geschafft, das Volksbegehren auszubremsen. Damit wurde das Thema Insektenschutz und Landwirtschaft erwartungsgemäß nicht von der politischen Agenda genommen aber die radikalen Vorschläge von proBiene gewissermaßen entschärft. Das ist ein erster großer Erfolg von uns.
BWagrar: Wie bewerten Sie die Rolle der Landesregierung?
Rukwied: Wir haben die Initiative der Landesregierung begrüßt, insbesondere die Positionierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und das Engagement von Peter Hauk und Franz Untersteller. Deren kritische Haltung zu den Vorschlägen von proBiene hat den Weg für Verhandlungen über bessere Lösungen bereitet.
"Natürlich wäre es aus unserer Sicht notwendig gewesen, die Landnutzer früher und intensiver in die Ausarbeitung der Eckpunkte einzubinden."
Natürlich wäre es aus unserer Sicht notwendig gewesen, die Landnutzer früher und intensiver in die Ausarbeitung der Eckpunkte einzubinden. Insbesondere die starre Vorgabe für das Land, den Pflanzenschutzmittel-Einsatz bis 2030 um 40 bis 50 Prozent zu reduzieren, belastet bis heute die Diskussion zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Als Ackerbauer weiß ich sehr genau, dass solche Reduktionsziele für den Einzelbetrieb unrealistisch sind. Allerdings konnten wir auch hier entscheidende Verhandlungserfolge verzeichnen.
BWagrar: Welches sind die wichtigsten Verhandlungsergebnisse für den Berufsstand?
Rukwied: Wir haben wichtige Verhandlungserfolge erzielt.
- Die Pflanzenschutzmittel-Reduktionsziele sind Ziele des Landes und haben keine einzelbetriebliche Verpflichtung zur Folge. Das steht nun so im Gesetzesentwurf. Damit können Obst-, Gemüse-, Wein- und Ackerbauern weiter chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel nach den Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes einsetzen.
- Wir konnten durchsetzen, dass die Pflanzenschutzmittel-Reduktionsziele nicht einfach nur in der Fläche ermittelt werden, sondern anhand eines repräsentativen Testbetriebsnetzes. In diesen Betrieben werden praxistaugliche Reduktionsmaßnahmen entwickelt und sie liefern die Daten zur Bewertung der erreichten oder nicht erreichten Reduktion. Damit haben wir die Grundlage gelegt, dass eine fachlich fundierte, wissensbasierte Reduktionsstrategie in enger Abstimmung mit Testbetrieben umgesetzt wird.
- Zudem werden die Ziele 2023 und 2027 evaluiert. Wir haben also die Möglichkeit, die Wirkung der Maßnahmen und die Ziele zu überprüfen.
- Die Verpachtung von landeseigenen Flächen wird zukünftig nicht ausschließlich an Ökobetriebe erfolgen. Es werden die agrarstrukturellen Belange der konventionellen Betriebe berücksichtig. Außerdem haben konventionelle Betriebe die Möglichkeit, landeseigene Flächen weiter zu pachten, wenn sie Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes durchführen, zum Beispiel über die Landschaftspfleger-Richtlinie (LPR) oder im FAKT-Programm.
Zudem wurde klargestellt, dass es keine Empfehlung des Landes zur Verpachtung von Flächen an Ökobetriebe geben wird.
- Bei der Umsetzung des Biotopverbunds wurde von einer Verpflichtung der Landwirtschaft abgesehen. Die Biotopvernetzung soll durch Angebote des freiwilligen Vertragsnaturschutzes umgesetzt werden.
"Wir haben ein Pflanzenschutzmittel-Verbot auf 440.000 Hektar verhindert und Tausende Betriebe aus einem solchen Verbot herausgeholt."
- Wir haben ein Pflanzenschutzmittel-Verbot auf 440.000 ha verhindert und Tausende Betriebe aus einem solchen Verbot herausgeholt. Dafür haben wir uns zu einer größeren Verbindlichkeit beim Integrierten Pflanzenschutz in Schutzgebieten bekannt.
Bitter ist für betroffene Betriebe das Pflanzenschutzmittel-Verbot in Naturschutzgebieten. Allerdings konnten wir die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung auch über Sammelanträge durchsetzen. Eine Existenzgefährdung betroffener Betriebe wird über eine Härtefallregelung verhindert.
- Zudem beschränkt sich das nun vereinbarte Paket eben nicht nur auf die Landwirtschaft, sondern verpflichtet darüber hinaus die Zivilgesellschaft, die Kommunen und Städte sowie den Verkehrssektor zu Maßnahmen gegen den Artenrückgang.
BWagrar: Wie lief die Diskussion im LBV-Vorstand zum Eckpunktepapier (siehe BWagrar 51-52/2019, Seite 14)?
Rukwied: Der LBV-Vorstand hat sich rund fünf Stunden intensiv mit dem Verhandlungsergebnis auseinandergesetzt. In einem intensiven Austausch mit Vertretern des Landwirtschafts- und Umweltministeriums haben wir dabei jeden Punkt und viele offene Fragen seitens der Praxis sehr gründlich beraten. Schließlich muss eine solch schwere Entscheidung auf der Grundlage fundierter Informationen und unter Abwägung der möglichen Auswirkungen für unsere bäuerlichen Familienbetriebe erfolgen. Unser Vorstand hat einstimmig beschlossen, das Verhandlungsergebnis mitzutragen.
BWagrar: Wie geht es jetzt mit dem Eckpunktepapier weiter?
Rukwied: Die formulierten Papiere werden nun ins parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gehen. Zusätzlich müssen die ausgehandelten Inhalte zum Beispiel über Verwaltungsvorschriften weiter ausgearbeitet sowie Förderprogramme erstellt werden.
Zusätzlich 62 Millionen Euro für die nächsten beiden Jahre
Hierzu wurden im neuen Landeshaushalt 62 Mio. Euro für die nächsten beiden Jahre bereitgestellt. Auch diese Schritte wird der Bauernverband natürlich weiter intensiv begleiten.
BWagrar: Ist mit dem Eckpunktepapier eine Befriedung zwischen Naturschutz und Landwirtschaft gelungen?
Rukwied: Das Eckpunktepapier ist für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg eine große Herausforderung. Aber letztendlich steht hinter dem Eckpunktepapier die Frage der Gesellschaft nach weiteren Beiträgen der Landwirtschaft zum Artenschutz. Auch wenn unsere Landwirtschaft schon sehr viel für den Naturschutz macht und wir nicht allein für den Artenschwund verantwortlich sind, braucht die Landwirtschaft eine Antwort auf diese Fragen der Gesellschaft. Sonst ist die Gefahr groß, Akzeptanz zu verlieren.
"Die Landwirtschaft leistet einen weiteren Beitrag für mehr Artenschutz und erhält für diesen Mehraufwand eine finanzielle Honorierung."
Im Gegensatz zum Gesetzentwurf des Volksbegehrens, der strikte Vorgaben und sehr viel weitergehende Verbote vorsah, basiert der Vorschlag der Landesregierung nun weit überwiegend auf Angeboten für die Landwirtschaft, um den Artenschutz zu fördern. Die Landwirtschaft leistet damit einen weiteren Beitrag für mehr Artenschutz und erhält für diesen Mehraufwand eine finanzielle Honorierung.
Wir Bauern müssen auch weiterhin unsere Kulturpflanzen vor Schadinfektionen und Schadinsekten schützen können. Hierfür sind wirksame Pflanzenschutzmaßnahmen erforderlich – egal, ob wir ökologisch oder konventionell wirtschaften. Nur dann können wir auch zukünftig hochwertige Lebensmittel erzeugen und die Erträge absichern.
Autor: Joachim Rukwied; Heiner Krehl