Landwirtschaft und Lebensmittel
Den Hunger, nicht die Natur bekämpfen
Der promovierte Landwirt Felix zu Löwenstein betreibt ein ökologisch wirtschaftendes Hofgut in Hessen, ist Präsidiumsmitglied im Anbauverband Naturland und zugleich Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Damit ist er der politische Vertreter der Bio-Branche.
Felix zu Löwenstein: Mit ökologischer Landwirtschaft die Welt ernähren
Bei der Frage, wie in Zukunft neun Milliarden Menschen ernährt werden können, erteilt er der industriellen Landwirtschaft eine klare Absage. Sie sei bereits heute nicht in der Lage, die Weltgemeinschaft ausreichend zu versorgen. Felix zu Löwenstein stellte dazu seine drei Thesen vor:
1. Produktivität ist nicht der alleinige Schlüssel zur globalen Ernährungssicherung.
2. Die industrielle Landwirtschaft ist kein zukunftsfähiges System.
3. Der ökologische Landbau hat das Potenzial, die Ernährung aller Menschen zu sichern.
Warum weltweit 800 Millionen Menschen hungern
Für den Hunger auf der Welt gibt es viele Gründe. Felix zu Löwenstein verwies auf den Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen, den Anbau von Industriepflanzen für die Energiegewinnung, die Spekulation mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, die wachsende Nachfrage nach Fleisch und die Vernichtung von Nahrungsmitteln durch falsche Lagerung, Transport und Verschwendung. Das Problem sei nicht allein eine Frage der zur Verfügung stehenden Nahrungsmenge, es gehe auch darum, wie produziert und Zugang zur Nahrung – auch über die Infrastruktur ermöglicht wird.
Löwenstein fordert mehr Aufmerksamkeit für die Kleinbauern, denn 65 Prozent der Welt-Nahrungsmittel werden von ihnen erzeugt. Sie bewirtschaften im Durchschnitt 1,4 ha Land. Es fehlt ihnen vor allem an Ernährungssouveränität, weil sie ihre Ernte billig verkaufen und Nahrung teuer zukaufen müssen, die sie selbst erzeugt haben.
Industrielle Landwirtschaft am Tropf des Erdöls
Pflanzenbau auf Basis des mit hohen Energiemengen hergestellten Stickstoffs sei zu teuer, kritisierte zu Löwenstein. Zwei Liter Erdöl werden für die Herstellung von einem Kilogramm Stickstoff benötigt. Als Alternative hält Felix zu Löwenstein die „ökologische Intensivierung“ der Landwirtschaft für den richtigen Weg. Darunter versteht er die Kombination aus modernen wissenschaftlichen Konzepten mit der Nutzung der Naturkreisläufe. Diese Wirtschaftsweise fördert und erhält die Vielfalt an Pflanzenarten, Sorten und Tierrassen.
An Beispielen von philippinischen Reisanbauern, die sich der MASIPAG-Bewegung angeschossen haben, und anhand der Pflanzung von Desmodium und Napier-Gras zur Maiszünsler- und Striga-Unkrautbekämpfung im Maisanbau Afrikas veranschaulichte zu Löwenstein, was im weltweiten Maßstab unter solch intelligenten Systemen zur verstehen ist. Wegen der Erfolge würden immer mehr Entwicklungshilfe-Organisationen und der Vereinten Nationen auf die ökologische Intensivierung der Landwirtschaft setzen.
Die Ursache für Lebensmittelverschwendung führt der Vizepräsident des Landesbauernverbandes (LBV), Gerhard Glaser, nicht zuletzt darauf zurück, dass die Produkte „einfach zu billig“ sind. Er werde keinesfalls der industriellen Landwirtschaft das Wort reden, weil die Bauern hier keine industrielle Landwirtschaft betreiben. Die Wertschätzung für Lebensmittel liegen Hubert Kucher, dem Vorsitzenden des Bauernverbands Ostalb, am Herzen. Der Verbraucher habe die Wahl: „Unsere Molkerei bietet zum Beispiel im Discounter Milch zu höheren Preisen an, die den Landwirten direkt zugutekommen“, sagte Kucher. Zu Löwenstein warnt vor der Illusion, von hier aus den Weltmarkt erobern zu wollen. Milch auf „Teufel komm‘ raus produzieren“ und gleichzeitig höhere Preise verlangen, funktioniert nicht.“
Um vermeintliche Kostenvorteile zu nutzen, wurden die Bauern von der Politik „regelrecht auf den Weltmarkt geprügelt“, entgegnete Glaser. Es mag in der Industrie gelingen, vom billigsten Punkt der Erde zu produzieren, aber nicht in der Landwirtschaft. Glaser hält es für völlig abstrus, nach diesem Prinzip künftig zehn Milliarden Menschen ernähren zu wollen. „Dazu werden wir jeden Quadratmeter benötigen“, ist er sich sicher.
Mittel gezielt für Agrarumweltmaßnahmen einzusetzen, wie sie zu Löwenstein möglichst bald fordert, wird in Baden-Württemberg bereits seit Einführung von MEKA 1992 und mit dem Nachfolgeprogramm FAKT praktiziert. Glaser kritisierte an FAKT, dass es für konventionelle Betriebe am allerwenigsten attraktiv ist. In einem Land wie Baden-Württemberg mit kleinen Grundstrukturen und der „roten Laterne“ beim landwirtschaftlichen Einkommen im Bundesdurchschnitt hält Vizepräsident Glaser das Programm für politisch verantwortungslos.
Die von Dr. Mezger vorgelegten Zahlen aus dem Agrarministerium, nach denen sich 2015 mehr als 50 Prozent an Fakt beteiligen, bezweifelten die Vertreter des Berufsstandes.
Weil derartige Programme die Betriebe zu sehr in ihrer Entwicklung einschränken, würden viele wieder aussteigen, sagte Hubert Kucher. Da die Betriebe aber auf jeden Euro angewiesen sind, würden sie meist Teile von FAKT mitnehmen. Eben für solche Leistungen, die sie eh erbringen oder die in ihren Betrieb passen.
Autor: Gerhard Bernauer