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Wie ZukunftsBauer Stefan Kerner den Klimawandel zur Chance macht

Tradition bewahren, Neues wagen – Der Heilbronner Landwirt Stefan Kerner zeigt, wie sich Baden-Württembergs Ackerbau Schritt für Schritt verändern könnte.

Der Ackerbau in Baden-Württemberg steht vor einem Wandel: Neue Kulturen erobern die Felder, die früher kaum denkbar gewesen wären. Stefan Kerner ist einer der Pioniere dieser Entwicklung. In seiner Erlenbacher Ölmühle wird deutlich, wie sich Landwirtschaft Schritt für Schritt neu erfindet – und wie ZukunftsBauer den Klimawandel als Chance begreifen.

Wo Tradition auf Pioniergeist trifft

Wenn Stefan Kerner über seine Äcker rund um Erlenbach geht, hat er immer beides im Blick: das Bewährte und das Neue. „Man muss Altes schätzen und an Bewährtem festhalten, aber offen bleiben für neue Ideen, die zu unserer Zeit passen“, sagt der 43-Jährige. Gemeinsam mit seiner Frau, seinen Eltern und drei Mitarbeitenden führt er die Erlenbacher Ölmühle. Ein Familienbetrieb mit 120 Hektar Fläche, Weinbergen und Wald – und einer bemerkenswerten Vielfalt an Kulturen. Von klassischen Getreidekulturen und Raps über Lein bis hin zu Hanf, Kürbissen und Kichererbsen: Was auf den Flächen wächst, ist alles andere als gewöhnlich. „Viele haben uns am Anfang belächelt, wenn wir mit einer neuen Kultur angefangen haben. Aber mich reizt es, Dinge auszuprobieren und selbst herauszufinden, was geht – auch wenn man dabei mal auf die Nase fällt.“ Sein Antrieb ist die Direktvermarktung. Für Stefan Kerner bedeutet Landwirtschaft Lebensmittel zu produzieren, die eine Geschichte erzählen. Er möchte, dass seine Kunden wissen, woher die Produkte kommen, wie sie hergestellt wurden – und dass sie sich auf die Qualität verlassen können. 

Fotos Bildergalerie: Niklas Hesser

Vom Kellerexperiment zur eigenen Ölmühle

Die Ölmühle – Herzstück und Erfolgsmodell des Betriebs – entstand aus einer Kelleridee. Schon während seines Studiums an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen interessierte sich Kerner für Presstechnik. 2007 stieg er in den elterlichen Betrieb ein, experimentierte erst mit Mohn, dann mit Lein und später mit Walnüssen. Eine kleine Ölpresse im Keller legte den Grundstein. Heute verkauft die Familie über 100.000 Flaschen Öl im Jahr. Leinöl ist das Zugpferd, frisch gepresst, nie auf Vorrat gelagert. „Was wir heute pressen, ist morgen schon verkauft. Frische und Qualität sind unser Markenzeichen“, betont Kerner.

Vielfalt als Antwort auf den Klimawandel

Der Klimawandel stellt Landwirtinnen und Landwirte auch in Baden-Württemberg vor neue Herausforderungen – doch für Stefan Kerner ist er zugleich Ansporn. Kulturen wie Kichererbsen wären ohne die wärmeren Temperaturen in Baden-Württemberg nicht denkbar. „Früher wären Kichererbsen bei uns undenkbar gewesen. Das zeigt, der Klimawandel eröffnet auch Chancen“, ist sich der Landwirt aus Erlenbach sicher. Gemeinsam mit Berufskollege Markus Läpple gründete er die „Kichererbsen-Bande“. Auf den Feldern in Erlenbach und Ilsfeld wachsen die Hülsenfrüchte, die weltweit für ihre Eiweißkraft geschätzt werden. „Die Kichererbse ist sensibel – vor allem in der Abreife verträgt sie keinen Regen. In nassen Sommern ist der Anbau daher riskant, wie z.B. im letzten Jahr. Doch wiederum die langanhaltenden Hitzeperioden in diesem Jahr hat die Kichererbse geliebt“, berichtet Kerner aus seinen Erfahrungen. Für Kerner ist klar: Die Kichererbse hat Zukunft. „Sie passt in eine Zeit, in der immer mehr Menschen weniger Fleisch essen. Ihr Protein ist dem tierischen sehr ähnlich – und damit interessant für viele neue Produkte.“

Hanf – zwischen Bürokratie, Vorurteilen und Zukunftspotenzial

Auch der Hanf hat seinen festen Platz auf den Äckern der Erlenbacher Ölmühle. Kerner nutzt die Körner für hochwertiges Hanföl, das durch seine wertvollen Inhaltsstoffe in der Ernährung immer beliebter wird. „Geschmacklich ist es für viele erst einmal ungewohnt – aber wer sich mit gesunder Ernährung beschäftigt, erkennt schnell den Wert“, sagt er. Die Pflanze selbst bringt zusätzliche Vorteile für die Landwirtschaft: Ihre tiefreichenden Pfahlwurzeln lockern den Boden, unterdrücken Unkraut und hinterlassen eine gute Struktur für die Folgekulturen. Doch so robust der Hanf im Anbau ist, so kompliziert ist die Ernte. „Nicht jeder Drescher ist geeignet. Die Faserpflanze splisst gerne auf und läuft schwer durch die Maschine."

Fotos: LBV/Brodbeck
Fotos: LBV/Brodbeck
Fotos: LBV/Brodbeck
Fotos: LBV/Brodbeck

Ein weiteres Problem: Die Fasern selbst sind kaum nutzbar, da es in der Region keine verarbeitenden Betriebe gibt. „Theoretisch könnte man aus den Resten Baustoffe oder Textilien machen – praktisch fehlen die Abnehmer. Der nächste wäre in Frankreich, das lohnt sich für uns nicht.“ So bleiben die Pflanzenreste auf dem Feld zurück und müssen später mühselig untergearbeitet werden – ein verschenktes Potenzial, das Stefan Kerner ärgert. Hinzu kommt die Bürokratie: Jedes Jahr muss er die Blüte melden, Kontrollen über sich ergehen lassen und die THC-Gehalte prüfen lassen. „Kein anderer Betriebszweig wird so intensiv überwacht – das ist überzogen und kostet uns viel Zeit.“ Ein spürbarer Abbau von Bürokratie sei angebracht, wie an so vielen Stellen innerhalb der Landwirtschaft. Trotz allem bleibt Hanf für ihn ein wichtiger Baustein. „Die Pflanze hat Potenzial – für unsere Böden, für die Ernährung, vielleicht auch irgendwann für die Faserverwertung, wenn es regionale Abnehmer gibt. Deshalb bleibe ich dran.“

Fotos Bildergalerie: Niklas Hesser

Kürbis, Walnuss, Buchecker – Öle mit Charakter

Besonders am Herzen liegt Kerner das hauseigene Kürbisöl. Inspiriert von der Steiermark, aber mit eigener Handschrift: „Hier haben wir wirklich viel Energie, Zeit und Herzblut reingesteckt, um unseren ganz eigenen Geschmack zu kreieren“, erklärt Kerner stolz. Auch Walnüsse und Bucheckern wandern in die Presse. „Bucheckern zu ernten, das ist wie ein Schritt zurück in die Kindheit mit Oma und Opa – Netze spannen, sammeln, pressen. Es ist aufwendig, aber es fühlt sich echt an.“ Nur 300 bis 400 Flaschen entstehen in einem guten Jahr – dann ist die Limited Edition in kurzer Zeit ausverkauft.

Rund 80 Walnussbäume hat Familie Kerner selbst gepflanzt, weitere 300 Bäume werden im Umkreis geerntet. Auch viele Privatleute bringen ihre Walnüsse sogar aus bis zu 100 Kilometern Entfernung. „Jeder Sack Walnüsse hat eine kleine Geschichte. Viele Kunden verbinden Erinnerungen mit den Bäumen in ihrem Garten – und wir machen daraus ein Öl, das sie später im Hofladen wiederfinden.“ Besonders intensiv hat sich Kerner mit der Sortenwahl beschäftigt. In der Versuchsanstalt in Weinsberg stieß er auf alte Walnuss-Sorten, die winterhärter sind und auch in kühleren Lagen nicht so leicht erfrieren. So entsteht ein Kreislauf, der weit über den eigenen Betrieb hinausgeht: Von Privatgärten über Versuchsanlagen bis hin zu eigenen Neupflanzungen – am Ende fließt alles in das Walnussöl, das vor allem in der Weihnachtszeit besonders gefragt ist. „Walnussöl ist für uns mehr als ein Produkt. Es ist ein Stück regionale Kultur, das wir erhalten und weiterentwickeln.“

Fotos: Niklas Hesser
Fotos: Niklas Hesser
Fotos: Niklas Hesser
Fotos: Niklas Hesser
Fotos: Niklas Hesser
Fotos: Niklas Hesser

Zwischen Spott und Anerkennung

Nicht immer war der Weg leicht. Als Kerner 2007 mit Mohn experimentierte, belächelten ihn viele Berufskollegen. Auch die Behörden waren skeptisch, wenn es um neue Produkte und Vermarktungswege ging. „‚Sie können doch nicht einfach Öl pressen und verkaufen‘ – diesen Satz habe ich am Anfang oft gehört. Aber wir haben uns durchgebissen.“ Heute hat sich die Mühe gelohnt. Über 4.500 Pakete verlassen jährlich den Hof, Kunden kaufen im Hofladen, im Online-Shop oder in regionalen Märkten. Etwa 25 Prozent des Umsatzes macht der Betrieb online – und erreicht damit Menschen weit über den Landkreis hinaus. Kerner betont: „Wichtig ist, dass der Kunde zweimal ein gutes Bauchgefühl hat: wenn er das Produkt kauft – und wenn es ihm schmeckt.“ Die Nähe zum Kunden ist Kerner wichtig. Auf Hoffesten, Weihnachtsmärkten, bei Führungen – der direkte Austausch gehört dazu. Rund 100 Gruppen im Jahr besuchen die Ölmühle.  Transparenz ist für ihn kein Schlagwort, sondern Haltung. Kein Öl wird aus zugekaufter Ware produziert, alles stammt vom eigenen Betrieb. „Deshalb schmeckt es immer gleich – gleich gut. Diese Glaubwürdigkeit schätzen unsere Kunden.“

Blick in die Zukunft: Chancen nutzen

Während der Weinbau unter Druck steht, setzt Kerner auf die Weiterentwicklung seiner Ölmühle. „Der Weinbau war lange unsere Stütze. Aber die Zeiten haben sich geändert. Jetzt überlegen wir, wie wir die Flächen anders nutzen können – vielleicht mit Walnussbäumen, Oliven oder sogar Mandeln.“ Dabei ist ihm eines besonders wichtig: Wer neue Kulturen auf dem eigenen Betrieb etablieren will, muss die gesamte Kette im Blick haben – von der Aussaat über die Ernte bis hin zur Verarbeitung und Vermarktung. „Wenn man nur den Anbau sieht, übersieht man schnell die Fallstricke. Es braucht Technik, Lagerung, Trocknung, Absatzwege – das muss von Anfang an durchdacht sein“, berichtet der Vorsitzende des Bauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg aus eigenen Erfahrungen. Gleichzeitig betont er, dass Innovation auch politische Rahmenbedingungen braucht: Dauerhaften Zugang zu wirksamen Pflanzenschutzmitteln, eine praxisnahe Zukunftsstrategie für den Pflanzenschutz anstatt starrer Reduktionsziele und Zulassungsverfahren, die schneller und am besten auf europäischer Ebene stattfinden. Auch Forschung und Züchtung müssten stärker gefördert werden, um Kulturen klimaresistenter zu machen und neue Chancen zu eröffnen. „Wir dürfen Innovation und Investition nicht im Weg stehen – wir müssen sie ermöglichen.“ Sein Motto: „Wir müssen uns anpassen – nicht aufgeben. Wenn man bereit ist, Neues zu wagen und es gründlich anzugehen, dann hat die Landwirtschaft in Baden-Württemberg eine Zukunft.“

Mit freundlicher Unterstützung von Fotograf Niklas Hesser - www.dein-fotograf.de.

Bitte beachten Sie: Dieses Feature können Sie als Pressevertreter unter Angabe der Quelle für Ihre Berichterstattung honorarfrei nutzen. Auf Anfrage senden wir Ihnen auch gerne passendes Bildmaterial.

Weitere Features in der Beitragsreihe „Anpassen statt aufgeben: Wie ZukunftsBauer in Baden-Württemberg auf den Klimawandel reagieren“ erscheinen wie folgt:

  1. Wo Wein wächst und die Ideen reifen – Wie ZukunftsBauer Michael Kinzinger die Extreme meistert
  2. Auf den Spuren neuer Kulturen - Wie ZukunftsBauer Stefan Kerner den Klimawandel zur Chance macht
  3. Klima macht erfinderisch – wie in Baden-Württemberg plötzlich Exoten wachsen (Veröffentlichung Ende Oktober)

Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg e. V. (LBV) vertritt rund 30.000 Landwirte aus Baden-Württemberg. 20 selbstständige Kreisbauernverbände nehmen auf regionaler Ebene die Interessen des bäuerlichen Berufsstandes wahr. Insgesamt ist jeder zehnte Arbeitnehmer in Baden-Württemberg direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig.