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Wie ZukunftsBauer Felix Miller mit exotischer Vielfalt dem Klimawandel entgegentritt

Alle Fotos: LBV/Brodbeck

Auf nur einem Hektar zeigt Felix Miller, wie viel Zukunft in der Landwirtschaft steckt – wenn man sie selbst in die Hand nimmt.

Freitagnachmittag in Bellamont bei Biberach. Punkt 14 Uhr öffnet sich die Tür des kleinen Hofladens – und binnen Minuten stehen die Menschen Schlange. Körbe füllen sich mit leuchtend roten Tomaten, goldgelben Pfirsichen und aromatischen Physalis. „Die erste Stunde ist immer Ausnahmezustand“, sagt Felix Miller und lacht. „Wir sind jedes Mal ausverkauft.“ Was hier auf nur einem Hektar entsteht, ist kein gewöhnlicher landwirtschaftlicher Betrieb. Es ist das Werk eines jungen ZukunftsBauer(n), der zeigt, wie man mit Leidenschaft, Experimentierfreude und Nachhaltigkeit einen landwirtschaftlichen Betrieb zukunftsfähig aufstellen kann.

Vom Milchviehbetrieb zum Obstparadies

Der Hof der Familie Miller liegt seit Generationen in Familienhand. Früher wurde hier Milchvieh gehalten. 2012 stellten seine Eltern auf Bio um – da war Felix gerade einmal 15 Jahre alt. Landwirtschaft war für ihn damals keine ausgemachte Sache, erst recht nicht die Tierhaltung. „Das war noch nie mein Ding,“ gibt der Jungbauer zu. Was ihn aber schon immer faszinierte, war der Pflanzenbau. Während seines Landwirtschaftsstudiums an der Uni Hohenheim nahm Millers Leidenschaft neue Gestalt an. „Ich durfte auf einer grünen Wiese hinterm Haus einfach mal ausprobieren, was geht“, erzählt er. Aus zwei Folientunnel zu Beginn wurden in nur wenigen Jahren fünfzehn, ein Versuch wurde zum Erfolg. Heute wächst auf der Fläche eine Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten – von Klassikern bis zu echten Exoten wie Kiwis, Granatäpfeln, Melonen oder Physalis. Diese Exoten findet man bisher kaum regional erzeugt. „Bio-Gemüse machen einige, aber beim regionalen Bio-Obst gab es eine richtige Lücke. Da hab ich meine Nische gefunden“, sagt der 28-Jährige aus Steinhausen an der Rottum.

Leidenschaft für das Besondere

Was Felix Miller antreibt, ist die Vielfalt. Besonders stolz ist er auf seine Tafeltrauben – in dieser Qualität und Größe kaum irgendwo in Deutschland zu finden. Über 50 Sorten hat er zusammengetragen, viele aus der Ukraine und Russland. „Ich probiere jedes Jahr neue Kulturen und Sorten aus. Die meisten glauben gar nicht, was in Deutschland alles möglich ist, wenn man sich richtig reinhängt.“ Die Physalis gehören ebenfalls zu seinen Steckenpferden: Seine Früchte wiegen mehr als 20 Gramm – statt der üblichen drei bis vier Gramm, die man aus dem Handel kennt. Seine Ansprüche an die Qualität seiner Früchte sind hoch. Das merkt man, wenn man durch die Folientunnel des Betriebs wandelt. Auf seiner Liste stehen noch viele weitere Kulturen. Stück für Stück will er Neues ausprobieren – z.B. Maulbeeren oder Feigen. „Ich hab da noch so viele Ideen“, sagt Felix. „Aber aktuell brauch ich einfach mehr Himbeeren – die Nachfrage bei meinen Kundinnen und Kunden ist da riesig.“

Klimawandel als Herausforderung – und Chance

Der Klimawandel zeigt sich auch auf dem Biohof Miller. Starke Regenfälle, Hitzespitzen, Spätfröste – jedes Jahr bringt neue Extreme. Doch Felix sieht nicht nur Risiken, sondern Möglichkeiten. „Mit dem richtigen Wissen kann man fast alles anbauen. Wichtig ist, aufmerksam zu bleiben und zu lernen.“ Eine Antwort auf die Wetterextreme sind auf seinem Betrieb offene Folientunnel: Sie schützen vor Hagel und Frost, die Reife der Früchte lässt sich ein Stück weit steuern – ohne geheizte Gewächshäuser oder chemischen Pflanzenschutz. „Wir arbeiten rein ökologisch – mit den Folientunneln, Schattiernetzen und Nützlingen. Das funktioniert, wenn man es konsequent und ganzheitlich denkt“, erklärt er.

Doch Folientunnel sind für ihn mehr als nur ein praktisches Werkzeug – sie sind ein Ausdruck seiner Haltung. Felix weiß, dass sie in der Landschaft nicht jedem gefallen. „Wir müssen Lebensmittel produzieren, und das auf eine möglichst nachhaltige Weise.“ Für ihn ist der Folientunnel eine klimaschonende Alternative zu beheizten Gewächshäusern oder Importware. „Unsere Folien schützen die Pflanzen, verlängern die Reifezeit und helfen, Rückstände zu vermeiden. Und sie ermöglichen, dass heimisches Obst wächst, das sonst von weit herkäme – das ist für mich Nachhaltigkeit.“ Mit offenen Enden und intelligenter Lüftung arbeitet er bewusst ressourcenschonend. Kurz vor der Reife werden Netze in die Eingänge gehängt, um die Früchte vor hungrigen Schadinsekten, Vögeln oder anderen Wildtieren zu schützen. Nur bei Frost werden die Tunnel nachts geschlossen. „Ich will das Klima nicht austricksen, ich will mit ihm arbeiten“, sagt er. 

Bio aus Überzeugung

Dass der Hof komplett biologisch wirtschaftet, ist für Felix keine Vermarktungsstrategie, sondern Haltung. „Bio war für mich nie ein Label, sondern eine Überzeugung“, sagt er. Auf seinem Acker kommt kein einziger chemisch-synthetischer Pflanzenschutz zum Einsatz – stattdessen setzt er auf Sortenvielfalt, Nützlinge und gesunde Böden. „Ich will Lebensmittel produzieren, die ich selbst mit bestem Gewissen essen kann.“ Auch sein Vater, der das Grünland weiterhin bewirtschaftet, unterstützt diese Haltung.  Gleichzeitig wünscht er sich, dass auch der Markt diese Verantwortung stärker mitträgt. „Ich finde, alle Produkte, die in Deutschland verkauft werden, sollten auch nach unseren Standards produziert sein“, betont er. „Es ist unfair – egal ob ökologisch oder konventionell, wenn ausländische Ware zu niedrigeren Standards und günstigeren Preisen in den Handel kommt. Da ist auch der Lebensmitteleinzelhandel gefragt, Verantwortung zu übernehmen.“

Qualität statt Masse

Trotz der enormen Nachfrage denkt Felix Miller nicht daran, seinen Betrieb sprunghaft auszubauen. Sein Hofladen ist nur freitags geöffnet – und trotzdem restlos ausverkauft. „Ich will alles selbst im Blick haben und die Prozesse im Betrieb steuern. Wenn der Betrieb wachsen würde, würde das auch mehr Verantwortung für weitere Mitarbeitende bedeuten. Das will ich aktuell nicht.“ Auch seine gefriergetrockneten Früchte, die er seit zwei Jahren anbietet, produziert er ausschließlich aus eigenem Anbau. Die Gefriertrocknung ist für ihn ein weiterer Baustein, um Ressourcen zu schonen und Wertschöpfung auf dem Hof zu halten. „Das Schöne ist: Wir können ernten, wenn das Obst perfekt reif ist – und es dann haltbar machen, ohne Zucker oder Zusätze.“ Das Verfahren entzieht der Frucht das Wasser, behält aber Geschmack, Farbe und Nährstoffe. „So schmeckt der Sommer auch im Winter“, sagt Felix. Der Online-Shop, über den er seine Trockenfrüchte verkauft, läuft mittlerweile so gut, dass Bestellungen aus ganz Deutschland kommen. „Aber auch hier gilt: Wenn’s aus ist, ist’s aus. Ich kaufe nichts zu. Das ist mein Credo.“

Haltung, die bleibt

Felix Miller ist 28 Jahre alt und steht erst am Anfang seiner landwirtschaftlichen Laufbahn. Doch seine Haltung ist klar: Verantwortung übernehmen, nachhaltig handeln und offen bleiben für Neues. „Ich darf jeden Tag dazulernen – das ist das Schöne an meinem Beruf.“ Und wenn er freitags die lange Schlange vor seinem Hofladen sieht, weiß er: Die Zukunft der Landwirtschaft wächst manchmal dort, wo man einfach anfängt – auf einer grünen Wiese hinterm Haus.

Dabei ist ihm eines besonders wichtig: die Unterstützung seiner Familie. Ohne seine Eltern, sagt er, wäre das alles nicht möglich gewesen. „Sie haben mir nicht nur die Fläche gegeben, sondern auch die Unterstützung und Rückendeckung, meinen eigenen Weg zu gehen. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar.“

Text: LBV/Ann-Kathrin Brodbeck

Bitte beachten Sie: Dieses Feature inkl. Fotos können Sie unter Angabe der Quelle für Ihre Berichterstattung honorarfrei nutzen. 

Weitere Features in der Beitragsreihe „Anpassen statt aufgeben: Wie ZukunftsBauer in Baden-Württemberg auf den Klimawandel reagieren“ erscheinen wie folgt:

Wo Wein wächst und die Ideen reifen – Wie ZukunftsBauer Michael Kinzinger die Extreme meistert (bereits online)
Kultur(pflanzen) im Wandel – Wie ZukunftsBauer Stefan Kerner den Klimawandel zur Chance macht (bereits online)
Klima macht erfinderisch – wie in Baden-Württemberg plötzlich Exoten wachsen (bereits online)

Weitere Ausgaben zum Thema Energie und Pferdehaltung sind in Planung.

Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg e. V. (LBV) vertritt rund 30.000 Landwirte aus Baden-Württemberg. 20 selbstständige Kreisbauernverbände nehmen auf regionaler Ebene die Interessen des bäuerlichen Berufsstandes wahr. Insgesamt ist jeder zehnte Arbeitnehmer in Baden-Württemberg direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig.